KI Talks

Sie gehen ja vom psychologischen Ansatz aus: Menschliche und Künstliche Intelligenz. Wie sieht es aus? Womit müssen wir da rechnen?
Ich möchte, dass meine Studierenden problemsichtig werden. Und zwar vor allen Dingen deswegen, weil wir Bürger*innen eines Gemeinwesens sind und weil wir dieses gestalten und in ihm zusammenleben wollen. Dafür muss man sich – denke ich – mit KI beschäftigen, sodass man Probleme in ihr in einer gewissen Tiefe, aber eben auch in einer gewissen Breite kennenlernt. Das heißt, ich möchte primär, dass die Studierenden fragefähig und urteilsfähig sind.
Welchen konkreten Einfluss sehen Sie von KI auf den Lernprozess und die Studierendenleistung? Welche Chancen und Risiken sehen Sie in der Nutzung von KI in der Bildung?
Aus lernpsychologischer Sicht muss man sich fragen, ob KI Lern- und Verstehensprozesse unterstützt, und ob sie Prozesse des Umgangs mit Wissen in Wissensgemeinschaften, wie die Universität eine ist, unterstützt. Unter der ersten Perspektive sieht man, dass KI ein Risiko hat und einen Nutzen. Das Risiko ist, dass die Unterstützung durch KI dazu führen kann, dass einem das Lernen eigentlich abgenommen wird. Das, was man eigentlich lernen soll, beispielsweise Texte zu schreiben, hat man nicht gelernt, wenn man ein LLM benutzt. Wenn es dauerhaft dabei bleibt, ist das ein Risiko.
Ein großer Nutzen ist, dass es eine kognitive Entlastung sein kann. DeepL ist ein schönes Beispiel: Wenn ich mich nicht mehr mit meinen vielleicht etwas holprigen Englischkenntnissen rumschlagen muss, kann ich näher beim Inhalt sein. Ich glaube, in dieser Spanne findet alles statt.
Um auf die zweite Perspektive zu kommen: Es geht nicht nur um individuelle Lernprozesse, sondern auch darum, dass wir in der Universität eine Gemeinschaft von Leuten sind, die sich um eine bestimmte Sorte von Problemlösung kümmern. Und auch das kürze ich ab, wenn der Andere, mit dem ich sprechen könnte, eine KI ist, die meine Aufgabe übernimmt.
Haben sich die Anforderungen an Studierende und Lehrende mit dem Aufkommen von KI geändert?
Die Anforderungen haben sich sicherlich geändert. Wir müssen uns fragen, was wir mit dem Studium erreichen wollen und ob es wirklich notwendig ist, dass – zum Beispiel – alle wissenschaftlich schreiben lernen. Wir brauchen eine grundsätzliche Reflexion unserer Lehrpraktiken. KIs sind eine gute Gelegenheit, wieder über den Sinn von Lern- und Prüfungsaufgaben nachzudenken. Es ginge mir darum, wirklich auf die Curricula zu gucken und auf die Aufgaben im Sinne der Praktiken und Kompetenzen, auf die wir vorbereiten.
Abschließende Gedanken und Empfehlungen zur Rolle von KI in der Hochschulbildung
Ich habe die Sorge, dass diejenigen, die sowieso schon viel haben – Wissen, Kompetenzen etc. –, von KIs zusätzlich profitieren werden, während diejenigen, die weniger gute Voraussetzungen haben, zwar das Versprechen haben, es gehe leichter, aber es wird nicht so viel leichter. Und dann hat man eine Unwucht in Bildungsprozessen, die sichmöglicherweise ganz schädlich auswirken wird.
Ingrid Scharlau ist Professorin für Kognitive Psychologie und Psychologiedidaktik. Sie beschäftigt sich intensiv mit der Psychologie des Erklärens/Explainability und der Digitalisierung als Herausforderung und Innovation in der Hochschullehre.