Wie kom­pli­ziert darf ei­ne Re­gel sein? BWL-Pro­fes­so­rin Caren Su­reth-Slo­a­ne in der Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Zei­tung zur Pro­ble­ma­tik der Be­richts­pflich­ten und Kom­ple­xi­tät in Rech­nungs­we­sen und Be­steu­e­rung

Caren Sureth-Sloane, Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, an der Universität Paderborn, hat zusammen mit ihrem Mannheimer Kollegen Dirk Simons, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen, einen Artikel im Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) veröffentlicht. In dem Beitrag „Wie kompliziert darf eine Regel sein?“ wird ausführlich über Fragen angemessener Regulierung und über das richtige Maß von Komplexität und Transparenz in Rechnungswesen und Besteuerung diskutiert.

Bilanz- und Steuerskandale sowie Rufe nach mehr Transparenz haben in den vergangenen Jahren zu neuen Offenlegungspflichten geführt. Doch nicht immer bedeuten mehr Regulierung und mehr Information auch mehr Transparenz. Denn gute Regulierung muss vielen Zielen gleichzeitig gerecht werden. Dieser Zielpluralismus führt nicht selten zu mehr Komplexität und zu mitunter neuen dysfunktionalen Effekten. Somit stellt sich die Frage: Ist durch die neuen Offenlegungspflichten überhaupt mehr Transparenz geschaffen worden? Und welche Nebenwirkungen sind entstanden?

Diesen Fragen gehen Sureth-Sloane und Simons in ihrem Beitrag nach. Dabei kommen sie zu folgendem Schluss: „Die Forschung verdeutlicht, dass sich zunehmende Berichtspflichten negativ auf die Relevanz von Informationen, die Befolgung von Regulierung und die Investitionskraft der Wirtschaft auswirken können.“

Offenlegungspflichten für börsennotierte Unternehmen hätten beispielsweise dazu geführt, dass der Seitenumfang von Geschäftsberichten um bis zu 45 Prozent gewachsen ist, in der Spitze sogar um das Zehnache. Das Auffinden relevanter Informationen für Stakeholder werde somit zunehmend erschwert. Die Ausweitung der Berichtspflichten habe zudem zu unerwünschten ökonomischen „Nebenwirkungen“ geführt. So sei im Zuge der Finanz- und Bankenkrise festgestellt worden, dass die Fair-Value-Bewertung Verlustausweise provoziert. Dadurch sei das Fallen der Börsenkurse beschleunigt worden.

Der Fall Wirecard wiederum sei ein Beleg dafür, dass immer umfangreichere Berichtspflichten Bilanzbetrug nicht verhindern können. „Eine abermalige Ausweitung von Berichtspflichten würde mehr schaden als nützen. Stattdessen sollten die Kontrollinstanzen verbessert und mit eindeutig geregelten Zuständigkeiten versehen werden“, resümieren Sureth-Sloane und Simons.

Insbesondere bei der Unternehmensbesteuerung hätten Regulierung und Komplexität deutlich zugenommen. „Tragfähige internationale Kompromisse lassen vermehrt unklare Rechtsbegriffe bei umfassenderen Dokumentationspflichten entstehen“, erklären Sureth-Sloane und Simons. „Unterschiedliche Interpretationen in verschiedenen Ländern erschweren die Befolgung der Regeln, belasten Betriebsprüfungen und bewirken nicht vermeidbare Steuerrisiken.“ Auch im Hinblick auf steuerliche Komplexität könne man negative wirtschaftliche Folgen beobachten. Sie würde sich beispielsweise auf Direktinvestitionen auswirken, die für das Wirtschaftswachstum zentral sind. Eine internationale Studie zeige, dass Länder mit sehr komplexen steuerlichen Rahmenbedingungen deutlich weniger Direktinvestitionen erhalten als Länder mit klareren Strukturen – heißt es im FAZ-Beitrag. Auch in weiteren Studien zu steuerlichen Rahmenbedingungen in Deutschland wurden die Dokumentationspflichten als wichtiger Kostentreiber angeführt, durch den insbesondere mittlere und kleinere Unternehmen betroffen sind und dies in besonderem Maße während der Corona-Krise.

Bei dem Bündel negativer Folgen zunehmender Berichtspflichten stellen sich nicht nur für die Forschung folgende Fragen: Wie viel Berichterstattung ist sinnvoll? Wie viel Komplexität verträgt die Wirtschaft?

Hierzu diskutieren Expert*innen aus Praxis und Wissenschaft am 18. Februar auf der Schmalenbach-Tagung 2021 „Komplexität von Staats wegen – Regulierung im ,New Normal‘“. Die Tagung wird als Livestream von der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (www.schmalenbach.org) ausgerichtet .

Weitere Informationen zu Prof. Dr. Caren Sureth-Sloane und Prof. Dr. Dirk Simons

Caren Sureth-Sloane ist Professorin für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität Paderborn sowie Sprecherin des ersten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs (SFB) mit betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt. Dieses hochschulübergreifende Forschungsvorhaben „Accounting for Transparency. Rechnungswesen, Steuern und Unternehmenstransparenz“ widmet sich dem Spannungsfeld zwischen Transparenz und Regulierung in diesem Bereich. In der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft wirkt Sureth-Sloane als Vizepräsidentin.

Dirk Simons ist Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen sowie Prorektor an der Universität Mannheim. Er ist ebenfalls Mitglied im SFB „Accounting for Transparency“ und Vorstandsmitglied der Schmalenbach-Gesellschaft.

Textzusammenfassung: Ulrike Kropf

 

Weitere Informationen zur F.A.Z.:
Frankfurter Allgemeine Zeitung   |   Wirtschaft   |   25.01.2021
Wie kompliziert darf eine Regel sein?
Von Caren Sureth-Sloane, Dirk Simons

Link zum Artikelkauf:
https://zeitung.faz.net/faz/wirtschaft/2021-01-25/wie-kompliziert-darf-eine-regel-sein/562759.html

Weitere Informationen zur Schmalenbach-Tagung 2021 (Livestream):
https://www.schmalenbach.org/index.php/veranstaltungen/schmalenbach-tagung

Weitere Informationen zum SFB „Accounting for Transparency“:
www.accounting-for-transparency.de

Foto (Universität Paderborn): Prof. Dr. Caren Sureth-Sloane von der Universität Paderborn.

Kontakt

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Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Caren Sureth-Sloane

Betriebswirtschaftslehre, insb. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre

Sprecherin im TRR 266 Accounting for Transparency

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