Die Schriftstellerin Jenny Aloni (1917-1993)
Jenny Aloni wurde am 7. September 1917 als Jenny Rosenbaum in Paderborn geboren, hier lebte sie bis 1935. Ende 1939 wanderte sie nach Palästina aus. Bereits in Deutschland hatte sie zu schreiben begonnen, seit 1956 veröffentlichte sie Gedichte, Romane und Erzählungen – insgesamt 9 Bände. Seit den sechziger Jahren galt sie als bedeutendste deutschsprachige Schriftstellerin ihrer Generation in Israel. 1967 erhielt sie den Paderborner Kulturpreis, 1991 den renommierten Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis (Großer Westfälischer Literaturpreis) und den Meersburger Internationalen Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis für Schriftstellerinnen. Jenny Aloni starb am 30. September 1993 in Ganei Yehuda (Israel).
In der Universität Paderborn hat Jenny Aloni bereits im Gründungsjahr 1973 gelesen, 1987 gaben Literaturwissenschaftler der Universität in der Hochschulschriftenreihe einen Auswahlband, 1990-97 eine zehnbändige Werkausgabe heraus. Das 1992 zur Unterstützung dieser Arbeiten gegründete Jenny-Aloni-Archiv erhielt von den Erben der Schriftstellerin 1996 den gesamten Nachlass als Geschenk, inzwischen ist er im Universitätsarchiv einzusehen. Aus dem Nachlass wurde unter anderem 2006 eine Ausgabe der ,,Tagebücher 1935-1993" sowie 2013 der Briefwechsel Jenny Alonis mit Nobelpreisträger Heinrich Böll veröffentlicht. Der hohe literarische Rang der Schriften von Jenny Aloni wird seit den neunziger Jahren im In- und Ausland zunehmend wahrgenommen.
Jenny Alonis Werk ist Teil zweier Kulturen, der deutschen und der israelischen. Ein Grundmotiv ihrer Dichtung ist das Thema der Fremdheit, der Annäherung an das Fremde. Am Beispiel ihrer neuen Heimat zeigte sie die Chancen und die Probleme des Zusammenlebens von Menschen verschiedenster Herkunft, Kultur, Religion. Eine zentrale Metapher ihres Werks ist das Haus – ausgehend von dem in Paderborn in der Pogromnacht und im Krieg zerstörten Elternhaus, von dem neuen Haus in der Fremde. Ein Gästehaus, in dem Fremde zu Gästen, Kollegen, Freunden werden, ist auch eine geistige Heimat für ein Werk wie das Jenny Alonis.
Das Jenny-Aloni-Haus – gelegen an der Fanny-Nathan- und der Warburger Straße – erweitert und ergänzt das Ensemble von Orten der Universität, die am Beispiel jüdischer Geschichte Regional- mit Universalgeschichte verbinden. Die Paderbornerin Fanny Nathan gründete das Jüdische Waisenhaus für die preußischen Provinzen Westfalen und Rheinland, eine der wichtigsten sozialen Einrichtungen des Landes. Es wurde 1942 zu einem Ort, an dem Deportationen der Paderborner Juden ihren Ausgang nahmen. (Jenny Aloni hat darüber eine packende Kurzgeschichte geschrieben, Zwei Inschriften; in dem unten angegebenen Band, S. 87-88.) Wenige Schritte neben diesem Haus beginnt die Warburger Straße, an ihrem Ende, in Blickweite des Gästehauses, liegt der jüdische Friedhof. Die Straße führt nach Warburg, dem Ort, nach dem sich im 17. Jahrhundert eine jüdische Familie benannte, aus der viele berühmte Gelehrte hervorgegangen sind, darunter ein naturwissenschaftlicher Nobelpreisträger und einer der Gründer der Kulturwissenschaften, Aby Warburg.
In dieses Traditionsgeflecht fügt sich das Jenny-Aloni-Haus der Universität ein. Die Universität Paderborn bekennt sich durch den Namen ihres Gästehauses zu diesen Traditionen und zum Geist des Werkes von Jenny Aloni.
Jenny Aloni / Hartmut Steinecke: "... man müßte einer späteren Generation Bericht geben." – Ein literarisches Lesebuch zur deutsch-jüdischen Geschichte und eine Einführung in Leben und Werk Jenny Alonis. Paderborn, 2. Aufl. 1997.
Hartmut Steinecke: "Um zu erleben, was Geschichte ist, muss man Jude sein": Jenny Aloni - eine deutsch-jüdische Schriftstellerin, Bielefeld: Aisthesis 2017 (Veröffentlichungen der Literaturkommission für Westfalen 70).