Protestantische Reform und die Gründung Georgias
Überblick
Im Jahr 1732 gewährte Großbritanniens König George II. den sogenannten „Georgia Trustees“ eine „Royal Charter“, also eine königliche Satzung. Darin stattet der Monarch diese Gruppe mit dem Recht aus, in Amerika eine neue britische Kolonie namens Georgia zu gründen und diese für die ersten zwanzig Jahre treuhänderisch zu verwalten.
Das Prinzip der religiösen Toleranz ist in der Satzung unmissverständlich festgeschrieben. Dieser Umstand sei - so die Forschung mehrheitlich - auf humanistisch-aufklärerische Motive zurückzuführen. Überhaupt wird die Phase der Gründung Georgias und der anschließenden zwanzigjährigen Treuhandverwaltung in der Wissenschaft auffallend säkular gedacht. Das ist aus verschiedenen Gründen erstaunlich. So entstanden die „Georgia Trustees“ aus einer Gesellschaft heraus, die sich um den anglikanischen Pfarrer und Theologen Dr. Thomas Bray gebildet hatte. Schon die Vorgängerorganisation dieser Gesellschaft, die ebenfalls von Bray gegründete Society for the Promotion of the Christian Knowledge (SPCK), galt als impulsgebend für voluntaristische Erneuerungs- und Reformbewegungen innerhalb des Anglikanismus. Auch unter den Mitgliedern der Treuhandverwaltung fanden sich einige dieser anglikanischen Reformer wieder. Darüber hinaus siedelten schon kurz nach der Gründung Georgias unterschiedliche protestantische Glaubensgemeinschaften in der Kolonie - zum einen wegen religiöser Verfolgung in Europa, zum anderen zwecks Missionierung.
Es gibt also einige Anhaltspunkte, die es geboten erscheinen lassen, den Zusammenhang zwischen Glaubensüberzeugungen und der Gründung Georgias genauer in den Blick zu nehmen. Dieser Zusammenhang wurde bislang allerdings nur unzureichend ergründet.
Obgleich der Einfluss von „Religion“ in der Forschung nicht völlig außer Acht gelassen wird, bleibt unklar, wie groß dieser Einfluss tatsächlich war und was unter dem Religionsbegriff genau zu verstehen ist. Das hängt nicht zuletzt mit James Edward Oglethorpe zusammen. Er war das wichtigste Mitglied der „Georgia Trustees“ und verstand es, in den Werbetexten für die neue Kolonie seine eigenen Überzeugungen zu verbergen und viele unterschiedliche Perspektiven argumentativ zu bedienen, sodass höchst integrative, wirkmächtige Plädoyers pro Georgia entstanden.
Aus inoffiziellen Dokumenten geht jedoch hervor, dass Oglethorpe sich im Hintergrund sehr wohl um religiöse Themen bemühte und sich dieser annahm. Denn die oben erwähnten anglikanischen Reformer verfügten über nicht unerheblichen Einfluss in der Treuhandverwaltung. Sie selbst wiederum wurden von den pietistischen Ideen aus Halle inspiriert und machten sich für eine größere Unmittelbarkeit des anglikanischen Glaubens sowie ein überkonfessionelles Verständnis des Protestantismus stark. Das bedeutet: Die religiöse Toleranz in der „Royal Charter“ kann auch aus diesem protestantischen Reformverständnis heraus entsprungen sein.
Ziel des Dissertationsprojektes ist es, den Spuren der protestantischen Reformer nachzugehen. So soll zweierlei erreicht werden: Erstens soll ein neues Bild der Gründungsgeschichte Georgias gezeichnet werden, in dem die protestantische Reformbewegung stärkeres Gewicht erhält; zweitens soll die wenige Jahre später gerade in Georgia einsetzende Erweckungsbewegung des „Great Awakening“ erklärt werden. Auf diese Weise kann die Dissertation einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Evangelikalismus leisten, welcher im Zuge des „Great Awakening“ entstand und vor allem in den USA noch heute von großer Bedeutung ist. Gleichzeitig erweitert die Dissertation die deutsch-amerikanische Geschichte um eine neue Perspektive, indem die Rolle des Hallenser Pietismus in der Entstehung Georgias erstmals eingehender untersucht wird.
Key Facts
- Laufzeit:
- 08/2024 - 08/2030