Re­gu­la­to­rik be­wegt den Fi­nanz­markt in Rich­tung Nach­hal­tig­keit − der Ge­setz­ge­ber ist Trei­ber, nicht die Wirt­schaft

Helge Wulsdorf von der Bank für Kirche und Caritas hat an der Universität Paderborn mit einem Gastvortrag über nachhaltige Geldanlagen den Dezember eingeläutet und eindrücklich geschildert, wie Regulatorik und Aufsichtsbehörden den Takt in Richtung Nachhaltigkeit angeben. Bei einer Tasse fairem Kaffee führte er die Teilnehmenden in die Welt der grünen Finanzanlagen ein.

Die Veranstaltung begann mit einem Blick in die Vergangenheit. Dörte Foit, eine der Gründerinnen der „Initiative Nachhaltigkeit“ der Universität Paderborn, erzählte von einem Beratungsgespräch bei einer Bank vor knapp acht Jahren. Ihr Wunsch, ihr Geld sozial und ökologisch verantwortungsbewusst anzulegen, habe die damalige Kundenberaterin überfordert und sei auf Ratlosigkeit gestoßen. Im Gegensatz dazu ist die Frage nach der Nachhaltigkeitspräferenz heute verpflichtend in der Anlageberatung und Finanzinstitute können ohne nachhaltige Produkte im Portfolio kaum noch bestehen. Auch Helge Wulsdorf, Leiter für Nachhaltige Geldanlagen bei der Bank für Kirche und Caritas, erinnerte sich an seine Anfangszeit vor 20 Jahren: „Die grauen Haare habe ich mir im nachhaltigen Investment geholt. Als ich damit angefangen habe, hielt man es für Esoterik, die sowieso nichts bringt.“

Ökologisch, ökonomisch, sozial – der Dreiklang sorgt für Herausforderungen
 

Inzwischen ist Nachhaltigkeit ein gesellschaftlicher Megatrend und Unternehmen rühmen sich mit ihren Beiträgen zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. Dazu zählen zum Beispiel Maßnahmen zur Sicherung der weltweiten Ernährung, der Produktion von bezahlbarer und sauberer Energie oder weltweitem Klimaschutz. Doch hinter diesen gut gemeinten Aktivitäten stehe häufig Greenwashing, so Wulsdorf. So wählten Unternehmen aus den insgesamt 17 Zielen nur die Ziele, die sie leicht erfüllen können. Dabei gehe der Grundgedanke von Nachhaltigkeit allerdings verloren, nämlich eine ökologische, ökonomische und soziale Balance zu finden. Unternehmen müssten umdenken: Es gehe nicht mehr darum, zunächst Profite zu erzielen, mit denen nachhaltige Projekte unterstützt werden, sondern die Profite selbst müssten nachhaltig erwirtschaftet werden. Mit den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen sei klar umrissen, wie das Spielfeld für Nachhaltigkeit heute aussieht. Die Herausforderung bestehe jedoch darin, Lösungen für die entstehenden Zielkonflikte zu finden. „Wer eine Solaranlage auf sein Dach baut, sollte sich keine Illusionen machen: Ökologisch ist es spitze, aber sozial ziemlich bitter. Einzelne Teile von fast allen Solarpaneelen werden durch Zwangsarbeit in China produziert“, veranschaulicht Wulsdorf die Problematik der konkurrierenden Ziele an einem Beispiel.

Mehr Transparenz sorgt für Nachhaltigkeit

Nicht nur für Konsument*innen, selbst für Finanzinstitute seien diese Zusammenhänge oftmals nur schwer in ihrer Gesamtheit zu durchschauen, betonte Wulsdorf. Transparenz sei notwendig. In den vergangenen Jahren hat sich deshalb die Politik auf den Weg gemacht, für mehr Informationen zu sorgen und eine Finanzwende durch neue Vorgaben in der Berichterstattung anzustoßen. Unternehmen müssen nun über die wirtschaftlichen Aspekte hinaus berichten und offenlegen, welche sozialen und ökologischen Folgen ihr Geschäftsmodell hat. Diese Konsequenzen müssen sie auch in der Risikoberichterstattung berücksichtigen. Wulsdorf warf die Frage auf, ob es unter diesen Bedingungen für eine Bank noch nachhaltig sei, etwa eine Altenhilfeeinrichtung in Büsum zu finanzieren, die auf Normalnull liegt und damit Gefahr läuft, vom steigenden Meeresspiegel verschluckt zu werden. Gleiches gelte für Investitionen in Gebieten, in denen aufgrund des Klimawandels keine Elementarversicherungen mehr greifen. Kreditvergaben, Anlageportfolios, Risikoberechnungen – auf allen Ebenen verändert die europäische Politik die Spielregeln für Banken und Unternehmen: „Das ist eine Regulatorik, die uns Banken gerade um die Ohren fliegt. Wir müssen viel mehr als bislang offenlegen“, beschreibt Wulsdorf den herausfordernden Umbruchprozess. Wulsdorf selbst muss man von der Regulatorik jedoch nicht überzeugen. Er hat als ehemaliges Mitglied im Sustainable-Finance-Beirat die Empfehlungen an die Bundesregierung mit formuliert und ist sich sicher, dass Regulierungen und deren konsequente Überwachung von den Unternehmen sehr viel abverlangen, aber auch viel bewegen können. Somit gebe es noch Hoffnung, die kritische Klimagrenze von zwei Grad einzuhalten. Wulsdorf bleibt jedoch realistisch: „Nachhaltigkeit ist eine Weggröße, die wir auf Erden nicht erreichen werden. So wie wir Gerechtigkeit auch nie erreichen werden. Das sind Zielvorstellungen, bei denen es keine 100%-Lösung geben wird.“

Hintergrund
 

Die Veranstaltung „Money makes the world go green?“ wurde von der Initiative Nachhaltigkeit der Universität Paderborn im Rahmen des Jubiläumsjahres organisiert. Im Oktober 2020 hat eine Gruppe von Angehörigen der Universität die „Initiative Nachhaltigkeit“ ins Leben gerufen. Mit der Gründung dieser Gruppe soll mittelfristig ein Prozess der nachhaltigen Entwicklung in Lehre, Forschung und Betrieb angestoßen werden.

Foto (Universität Paderborn): Helge Wulsdorf, Leiter für Nachhaltige Geldanlagen bei der Bank für Kirche und Caritas, mit der Initiative Nachhaltigkeit der Universität Paderborn.