Chemiker*innen identifizieren Kriterium, das bekannten Effekt erklärt
Die Kernspinresonanz ist eine leistungsstarke Analysetechnik mit einem breiten Anwendungsspektrum – von der atomaren Struktur von Molekülen und Materialien bis hin zu klinischen Anwendungen in der bildgebenden Magnetresonanztomographie. Allerdings war die geringe Empfindlichkeit lange Zeit eine Herausforderung: Im Vergleich zu anderen Methoden waren höhere Probenkonzentrationen und längere Messzeiten erforderlich. Wissenschafter*innen der Universität Paderborn haben deshalb sogenannte gemischtvalente, polarisierende Materialien und deren Potenzial in Bezug auf die Kernspinresonanz untersucht. Ziel war es, eine höhere Sensibilität des Verfahrens zu erreichen. Dabei haben sie die Grundlagen für den in Fachkreisen bekannten „Overhauser-Effekt“, der bisher nur bei Flüssigkeiten und Metallen bekannt war, auch für nicht-metallische Festkörper entschlüsselt. Die Ergebnisse wurden jetzt in dem renommierten Fachmagazin „Angewandte Chemie“ veröffentlicht. Die Arbeit der Wissenschaftler*innen gehört laut Aussagen des Verlags zu den maximal zehn Prozent aller Veröffentlichungen, die von den Gutachtern als hochrelevant eingestuft werden.
Der Overhauser-Effekt kommt u. a. bei der Magnetresonanztomographie zum Tragen. Dr. Hossam Elgabarty, an der Studie beteiligter Nachwuchsgruppenleiter, erklärt: „Dabei handelt es sich um eine Technik zur Signalverbesserung in verschiedenen Anwendungen der Kernspinresonanz. Grundlage ist die Übertragung der starken Polarisation ungepaarter Elektronen auf benachbarte Atomkerne durch Mikrowellenstrahlung. Bisher wurde er allerdings nur bei einer einzigen Substanz nachgewiesen.“ Prof. Dr. Thomas Kühne, an dessen Lehrstuhl die Studie durchgeführt wurde, ergänzt: „Berechnungen der elektronischen Struktur dieses Stoffs haben gezeigt, dass es sich dabei um eine gemischtvalente Verbindung handelt. Wir wollten beweisen, dass diese Verbindungen geeignete Polarisationsmittel für die dynamische Kernpolarisation sind. Unsere Ergebnisse belegen das. Dass diese Tatsache auch die Voraussetzung für den Overhauser-Effekt ist, war bisher nicht bekannt.“
„Wir haben das Phänomen erstmalig in Hochfeld-Kernspinresonanz-Experimenten bei nicht-metallischen Festkörpern mit gemischtvalenten Verbindungen identifiziert“, fasst die Hauptautorin der Studie, Dr. Svetlana Pylaeva vom Department Chemie der Universität Paderborn, zusammen. Solche Verbindungen bestehen aus Molekülen, deren Mobilität durch spezielle Bindungsmerkmale selbst in Festkörpern erhalten bleibt, was in der Regel nicht der Fall ist. Mit diesen Stoffen kam es zu einer deutlichen Steigerung der Empfindlichkeit, also zu genaueren Ergebnissen bei der Kernspinresonanz. Da Overhauser ein effizienter Mechanismus bei hohen Magnetfeldern ist, sei die weitere Untersuchung dieses Phänomens von großem Interesse, so Kühne.
Die Studie, die als interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen dem Team um Kühne und Prof. Dr. Jan Paradies, ebenfalls Universität Paderborn, durchgeführt wurde, kann aufgerufen werden unter: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ange.202103215.
Nina Reckendorf, Stabsstelle Presse, Kommunikation und Marketing