Am 27. Oktober erhielt Prof. em. Dr. Dr. h. c. Christiane Floyd die Ehrendoktorwürde der Fakultät für Elektrotechnik, Informatik und Mathematik der Universität Paderborn. 1978 wurde Christiane Floyd als erste Frau im deutschsprachigen Raum zur Professorin im Fach Informatik ernannt und an die Technische Universität Berlin berufen. Von 1991 bis 2008 war Floyd Leiterin der Fachgruppe Software-Technik (SWT) an der Universität Hamburg und ist seitdem im Ruhestand. Während ihrer aktiven Zeit als Wissenschaftlerin beschäftigte sie sich unter anderem mit Softwareentwicklungsmethoden, aber auch philosophischen Grundlagen der Informatik und ethischen Fragestellungen.
Christiane Floyd erhält die Ehrendoktorwürde für ihre besonderen wissenschaftlichen Verdienste, insbesondere menschliche und soziale Aspekte systematisch bei der Softwareentwicklung zu berücksichtigen und damit die zu Beginn ausschließlich auf technische Aspekte fixierte Betrachtung von Software für soziotechnische Fragestellungen zu öffnen. Floyd ist bekannt für das kontinuierliche Einbeziehen ethischer Fragestellungen in Wissenschaft und Praxis.
Bei der Festveranstaltung an der Universität Paderborn hob Prof. Dr.-Ing. Reinhard Keil, Dekan der Fakultät für Elektrotechnik, Informatik und Mathematik, hervor, dass Christiane Floyd für ihre herausragenden Leistungen in der Hochschullehre und für ihre großen Verdienste um die Informatik geehrt werde. Floyd sei die erste weibliche Professorin in der Informatik im deutschsprachigen Raum gewesen und auch die Erste in der Softwareentwicklung. Keil, der Christiane Floyd als die „engste Freundin der Fakultät“ würdigte: „Es ist eine Leistung, sich in einem Feld auf allen Ebenen zu etablieren und durchzusetzen und zeitgleich zwei Kinder großzuziehen.“
Prof. Dr. Birgit Riegraf, Vizepräsidentin für Lehre, Studium und Qualitätsmanagement der Universität Paderborn: „Wir ehren Christiane Floyd nicht nur für ihr Lebenswerk, sie ehrt auch uns als Universität, indem sie diese Würde annimmt.“ Das sei eine Sternstunde in der Geschichte der Universität. Christiane Floyd sei eine beeindruckende Persönlichkeit mit einem beeindruckenden Lebenslauf. Der Begriff der Pionierin treffe auf viele ihrer Leistungen zu. Hervorzuheben seien ihr kritisches Denken und die Tatsache, dass sie dieses Denken vorbildhaft an ihre Studierenden weitergegeben habe.
Laudator Prof. Dr. Dr. h. c. Stefan Jähnichen, Technische Universität Berlin: „Christiane Floyd hat schon sehr früh eine eigene Richtung der Informatik geprägt. Damals war die Informatik sehr theoretisch und formal aufgebaut. Sie etablierte sogenannte „evolutionäre“ Prozesse und schloss den Menschen in die Betrachtung mit ein. Sie war außerdem die Erste, die eine Unterscheidung von Produkt und Prozess definierte und damit eine agile Technik schuf.“
Prof. Dr. Ingrid Schirmer von der Universität Hamburg in ihrer Laudatio: „Christiane Floyd ist eine Avantgardistin mit einem Hang zu Entwicklungen. Sie hat sich persönlich immer für die Förderung junger Informatikerinnen stark gemacht, z. B. mit einem eigenen Doktorandenprogramm. Und schon immer hat sie sich in anderen Ländern engagiert, wie jetzt z. B., indem sie sich in Äthiopien für die Verbesserung der Situation in ländlichen Räumen einsetzt.“
„Was ist also eine Laudatio?“, fragt Prof. em. Dr. Rafael Capurro, Hochschule der Medien Stuttgart. „Eigentlich: eine öffentliche Liebeserklärung.“ Liebe sei für die Menschen ein sehr starkes Band. Und Christiane Floyd sei stark in der Ethik der Informatik und Softwareentwicklung gewesen – eine Pionierin auf dem Gebiet. Man meine immer, Ethik und Informatik würden nicht zusammenpassen – Floyd beweise das Gegenteil.
„Ich wusste damals nicht, dass ich die erste Frau, die erste Professorin in der deutschsprachigen Informatik war und vielleicht auch die jüngste“, so Christiane Floyd. Sie kenne Probleme der Informatik schon lange aus der Praxis – bereits vor ihrem Studium arbeitete sie bei der Firma Siemens in München. „Damals wurde Software von Mathematikern geschrieben, der Mensch war in deren Gleichungen aber nicht enthalten. Ich hielt und halte es für meine Verantwortung, Software für und mit den Menschen zu entwickeln.“ Große Bedeutung habe für sie auch ihr aktuelles Projekt in Äthiopien. Dort bringe sie den Menschen Technik bei und vermittle Erfahrungen, die letztendlich zur Weiterentwicklung des Landes und zur Reduzierung der Armut beitrügen.
Auch ihr langjähriges soziales und politisches Engagement für eine menschengerechte Gestaltung der Informationsgesellschaft zeichnet sie aus. Floyd engagiert sich im Forum Informatiker/innen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF), beim Aufbau der Internationalen Frauenuniversität (ifu), als Dozentin der Informatica Feminale (Bremen) und beim Aufbau eines Graduiertenprogramms für Äthiopien.
„Sie hat mit ihren vielfältigen Pionierleistungen die Informatik entscheidend beeinflusst und bereichert“, heißt es im offiziellen Antragstext der Ehrenwürde. „Aufgrund dieser herausragenden Leistungen als Wissenschaftlerin und als Hochschullehrerin sowie aufgrund ihrer hohen Verdienste um die Entwicklung einer menschenzentrierten Technikgestaltung in der Informatik erhält sie den Grad „Doktorin der Naturwissenschaften ehrenhalber“ (Dr. rer. nat. h. c.).“