Gericht betont den Gestaltungsspielraum und die soziale Verantwortung des Gesetzgebers
Die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Minden hat heute entschieden, dass die Erhebung von Studiengebühren für das Erststudium an nordrhein-westfälischen Hochschulen rechtmäßig ist. Dem Gesetzgeber stehe bei der Ausgestaltung des Studiengebührenmodells ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungsspielraum zu. Er müsse jedoch den chancengleichen Hochschulzugang auch für finanziell schlechter gestellte Studierende sicherstellen.
Seit dem Wintersemester 2006/2007 erlaubt der Gesetzgeber den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen bis zu 500,00 € pro Semester an Studiengebühren zu erheben. Das Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen gewährt den Studierenden gleichzeitig einen Anspruch gegen die NRW.Bank auf ein verzinsliches Darlehen ohne Bonitätsprüfung. Von der Verpflichtung zur Darlehensrückzahlung kann bei zu geringem Einkommen freigestellt werden. Zudem ist die Summe der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz als Darlehen geleisteten Ausbildungsförderung und des gewährten Studienbeitragsdarlehens einschließlich Zinsen von vornherein auf einen Höchstbetrag von 10.000,00 € begrenzt.
Die beklagte Universität Paderborn erhebt seit dem Wintersemester 2006/2007 Gebühren von 500,00 € je Semester. Die dagegen klagende Studierendenschaft der Universität Paderborn war – u.a. – der Auffassung, das Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen verstoße gegen den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt). Dieser schreibe die allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts vor und verbiete somit die Wiedereinführung von Studiengebühren.
Die Klage der Studierendenschaft wies das Verwaltungsgericht heute ab: Die Erhebung von Studiengebühren verstoße insbesondere nicht gegen den UN-Sozialpakt. Dieser verlange zwar die allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts und verbiete seinem Wortlaut nach die Wiedereinführung von Studiengebühren. Dieses Verlangen bestehe jedoch nicht um seiner selbst Willen. Hinter der Verpflichtung stehe nämlich die Absicht, jedermann einen chancengleichen Zugang zum Hochschulstudium zu ermöglichen. Die Erhebung von Studiengebühren sei demnach zulässig, wenn jeder gleichermaßen, unabhängig von seinen finanziellen Verhältnissen und seiner sozialen Herkunft entsprechend seiner Fähigkeiten die Möglichkeit habe, ein Hochschulstudium zu absolvieren; vom Gesetzgeber werde auf dieser Basis eine Prognoseentscheidung verlangt. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber habe mit dem Darlehensanspruch, der Möglichkeit zur Freistellung von der Darlehensrückzahlung und der Begrenzung der Rückzahlungssumme auf 10.000,00 € einen hinreichend chancengleichen Hochschulzugang ermöglicht. Gerade dadurch, dass auch ein zurückzuzahlendes Bundesausbildungsförderungsdarlehen bei der Rückzahlungsbegrenzung auf 10.000,00 € zu berücksichtigen sei, werde eine Vielzahl einkommensschwacher Studierender im Endeffekt keine Studienbeiträge zu zahlen haben. Sollte sich im Nachhinein entgegen der gesetzgeberischen Einschätzung herausstellen, dass einkommenschwächere Studierende durch die Studienbeiträge von der Aufnahme eines Studiums abgehalten werden, sei der Landesgesetzgeber gehalten, die gesetzlichen Regelungen zu ändern.
Das Gericht hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
(Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 26. März 2007, Aktenzeichen: 9 K 3614/06)