Deut­sche Li­te­ra­tur der Ge­gen­wart an der Uni­ver­si­tät Pa­der­born: Mo­ritz Rin­ke über­nimmt am 2. De­zem­ber die 32. Schrift­steller­gast­do­zen­tur

Der Schriftsteller Moritz Rinke wird am 2. Dezember die 32. Paderborner Gastdozentur für Schriftstellerinnen und Schriftsteller am Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Paderborn übernehmen. Die seit 1983 durchgeführte Veranstaltung richtet sich an Studierende und literarisch Interessierte in der Region. Doron Rabinovici und Georg Klein hatten zuletzt die Gastdozentur inne. Die Gastdozentur findet mit einer Ausnahme montags von 16.15 bis 17.45 Uhr im Hörsaal G auf dem Campus der Universität statt: Die Abschlusslesung wird im Theater Paderborn (Westfälische Kammerspiele) stattfinden.

Moritz Rinkes Gastdozentur trägt den Titel „’Der Autor ist nicht gehalten, sein eigenes Werk zu verstehen’. Annäherungen an das eigene Schreiben – Wie entstehen Dramen, Romane, Texte?“. Seine Auftaktlesung wird er am Montag, 2.12.2013, halten. Im Dezember, Januar und Februar finden drei weitere Vorträge und eine Abschlusslesung statt, die von Rinke wie folgt betitelt wurden: „Das Spiel mit der Wirklichkeit I – Über das Schreiben für das Theater“ (9.12.2013), „Das Spiel mit der Wirklichkeit II oder Warum sich meine Verwandten plötzlich nicht mehr aus dem Haus trauten – (Über den Roman)“ (16.12.2013), „Das Spiel mit der Wirklichkeit III – Über das Schreiben für Zeitungen“ (27.1.2014) und „Die Verrückten werden immer verrückter“ (03.2.2014, im Theater Paderborn/Westfälische Kammerspiele).

In Ergänzung des Gastdozenturprogramms wird der Regisseur des jüngsten Rinke-Stückes, Oliver Reese, am 20.1.2014 einen Vortrag zu seiner Inszenierung halten, den er betitelt hat: „Well-made-Play oder Tschechow-Ton? Erfahrungen beim Inszenieren von Moritz Rinkes ‚Wir lieben und wissen nichts’“.

Moritz Rinke wurde 1967 in Worpswede geboren. Er studierte von 1989 bis 1994 Angewandte Theaterwissenschaften an der Universität Gießen. Während dieser Zeit verfasste er bereits Kolumnen und Reportagen, u. a. für die Zeit und die Süddeutsche Zeitung, sowie sein erstes Theaterstück „Der graue Engel“. Nach seinem Studium absolvierte er ein Volontariat beim Berliner Tagesspiegel, wo er anschließend als Kulturredakteur arbeitete (bis 1996, seitdem freier Autor). 2001 wurde sein Bühnenstück „Republik Vineta“ zum besten deutschsprachigen Theaterstück gewählt und 2008 verfilmt. Heute lebt Rinke als freier Schriftsteller und Bühnenautor in Berlin.

Moritz Rinke erhielt u. a. folgende Auszeichnungen: Axel-Springer-Preis für Journalisten (1995 und 1997), Literaturpreis des PEN-Clubs Liechtenstein (1997), Dramatiker des Jahres (für sein Theaterstück Republik Vineta 2001) und Sylter Inselschreiber (2002).

Oliver Reese wurde 1964 in Schloss Neuhaus bei Paderborn geboren. Er studierte Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Theaterwissenschaft und Komparatistik in München und arbeitete als Regieassistent an den Münchner Kammerspielen, am Düsseldorfer Schauspielhaus und am Bayerischen Staatsschauspiel. 1989 ging er als Dramaturg an das Bayerische Staatsschauspiel, 1991 als Chefdramaturg an das Ulmer Theater. 1994 bis 2001 war Oliver Reese Chefdramaturg am Maxim Gorki Theater Berlin, danach Chefdramaturg und Stellvertretender Intendant unter Bernd Wilms am Deutschen Theater Berlin, wo er u. a. mit Hans Neuenfels, Robert Wilson, Michael Thalheimer und Jürgen Gosch arbeitete. Oliver Reese hatte einen Lehrauftrag an der Freien Universität Berlin und ist Mitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste. In der Spielzeit 2008/09 war Oliver Reese Intendant am Deutschen Theater Berlin, seit der Spielzeit 2009/10 leitet er das Schauspiel Frankfurt.
 


 
Weitere Informationen zu Moritz Rinke:

Mit einer Einladung zum „Ko-Fabulieren und träumerischen Mitspielen“ (Andrzej Wirth) betrat Moritz Rinke 1996 die Bühne. Seitdem gehört er zu den erfolgreichsten Dramatikern im deutschsprachigen Gegenwartstheater. „Der graue Engel“ hieß Rinkes Debüt-Stück, das sich in formaler Hinsicht noch untypisch ausnimmt im Werk eines Autors, der die dramatische Literatur als das primäre Element von Theaterkunst ernst zu nehmen fordert und von hier aus bühnentaugliche Strukturformen aufgreift, modifiziert und weiterführt. Mit seismographischer Genauigkeit registriert Rinke in seinen Stücken die Befindlichkeiten der bundesdeutschen Wirklichkeit, ohne sich in gesellschaftlich Randständigem zu verlieren. Dass er zugleich immer wieder das Utopische, die Sehnsucht nach dem und das Denken des Anderen zum Fluchtpunkt des Spiels macht, markiert den humanen Kern seiner Theaterarbeit. Das schließt die Darstellung des Scheiterns von menschlichen Träume und Hoffnungen ebenso wenig aus wie den illusionslosen Blick auf die Verwerfungen zwischenmenschlicher Beziehungen.

Dabei kommt das Spielerische nicht zu kurz. Leicht und schwebend ist die Sprache Rinkes, elegant und voll Witz (Esprit) zumal in den Reportagen, Essays und dem großen, tief in den Abgründe einer Familiengeschichte einsteigenden Roman „Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel“, die Rinke seinen Dramen an die Seite gestellt hat. Dass das Schreiben von Dramen und dasjenige von Prosatexten ein Arbeiten in unterschiedlichen Schichten und mit unterschiedlichen Sprachregistern bedeutet, steht auch für Rinke außer Frage. Während die Sprache im Drama ganz gegenwärtig ist, „Sprache im Raum, Sprache in der Bewegung“, sei die Sprache im Roman distanziert, Zeiten und Räume überbrückend. Über diese Differenzen hinweg aber betont Rinke im Hinblick auf sein Romanwerk auch Gemeinsamkeiten beider ästhetischer Formen, die ein Schlaglicht auf seine Arbeit als Dramatiker und Erzähler als solche wirft: „Das Hinübergleiten aus der Erzählung in den Dialog und zurück – es gibt nichts Schöneres!“