Pa­der­bor­ner und Ber­li­ner Phy­si­ker fin­den ma­gne­ti­schen Fin­ger­ab­druck von Grenz­flä­chen­de­fek­ten im Pho­to­st­rom von Si­li­zi­um­so­la­r­zel­len – Spe­zi­el­le So­la­r­zel­len spie­len künf­tig wich­ti­ge Rol­le auf dem Markt der Hoch­leis­tungs­so­la­r­zel­len

Physiker der Universität Paderborn und des Helmholtz Zentrums Berlin (HZB) haben mit einer hochempfindlichen Messmethode an so genannten Heterokontakt-Siliziumsolarzellen wichtige Defektzustände nachgewiesen, denen die gesamte Solarzellenforschungs-Community schon lange auf der Spur war. Unterstützt durch aufwändige quantenmechanische Computersimulationen am Paderborner Zentrum für Paralleles Rechnen (PC2),  konnten sie erstmals die Natur dieser Defekte mit atomarer Genauigkeit bestimmen. Diese lagern sich genau an der Grenze zwischen dem Siliziumkristall und der nur wenige Nanometer dünnen, ladungstrennenden Schicht aus amorphem, d. h. ungeordnetem Silizium an. „Diese Ergebnisse können wir im nächsten Schritt auch auf andere Typen von Siliziumsolarzellen anwenden und so Wege finden, den Wirkungsgrad weiter nach oben und die Kosten nach unten zu treiben“, sagt Dr. Alexander Schnegg vom HZB.

Solarzellen aus Silizium könnten theoretisch 30 % des Sonnenlichts in Strom umwandeln, doch tatsächlich sorgen unter anderem Defekte an der Oberfläche der kristallinen Siliziumwafer dafür, dass der Wirkungsgrad deutlich niedriger liegt. Eine neue Generation von Solarzellen ist gerade dabei, den Markt zu erobern. Im Gegensatz zu herkömmlichen Solarzellen wird auf deren Oberfläche eine nur 10 nm dünne amorphe Siliziumschicht aufgedampft. Das amorphe Silizium ist in der Lage, sowohl die Defekte an der Oberfläche teilweise abzusättigen als auch den Solarstrom direkt abzuleiten. Solche Solarzellen erreichten im industriellen Maßstab eine Effizienz von über 20 % und werden in Zukunft eine wichtige Rolle auf dem Markt der Hochleistungssolarzellen spielen. Bisher konnte aber nur vermutet werden, welche Defektzustände die Elektronen bei ihrer Reise durch die Grenzfläche zwischen geordneter und ungeordneter Siliziumschicht behindern.

Die Paderborner Physiker Dr. Uwe Gerstmann, Dr. Eva Rauls und M. Sc. Martin Rohrmüller aus der Theoriegruppe von Prof. Dr. Wolf Gero Schmidt haben nun in Zusammenarbeit mit Physikern des Helmholtz Zentrums Berlin einen raffinierten Weg gefunden, die Defekte an der Grenzfläche direkt aufzuspüren und ihre elektronische Struktur zu bestimmen. „Wenn sich Elektronen an den Defekten anlagern, können wir ihren Spin, also ihr kleines magnetisches Moment, wie eine Sonde nutzen, um sie zu studieren“ erklärt Alexander Schnegg. Mit einer hochempfindlichen Messmethode, der elektrisch detektierten magnetischen Resonanz (EDMR), hinterlässt der Defekt im Strom der Solarzelle einen winzigen magnetischen Fingerabdruck. Mit dessen Hilfe konnten die Theoretiker der Universität Paderborn detaillierte Informationen über die Position der Defekte innerhalb der Schichten und ihre Ladungsverlustmechanismen gewinnen. „Wir haben im Wesentlichen zwei unterschiedliche Familien von Defekten klassifiziert“, sagt Uwe Gerstmann von der Universität Paderborn: „Während eine Art von Defekten eher schwach lokalisiert in der amorphen Schicht sitzt, befindet sich eine zweite Familie direkt an der Grenzfläche, gerade noch in der Kristallmatrix“.

Die Arbeit ist am 20. März 2013 in Physical Review Letters erschienen (http://prl.aps.org/abstract/PRL/v110/i13/e136803).

Abbildung (Universität Paderborn, Department Physik): (v. li.): Das Paderborner Forscherteam: M. Sc. Martin Rohrmüller, Dr. Eva Rauls, Dr. Uwe Gerstmann, Prof. Dr. Wolf Gero Schmidt.
Abbildung (Universität Paderborn, Department Physik): (v. li.): Das Paderborner Forscherteam: M. Sc. Martin Rohrmüller, Dr. Eva Rauls, Dr. Uwe Gerstmann, Prof. Dr. Wolf Gero Schmidt.
Abbildung: Der magnetische Fingerabdruck führte die Forscher zu den Defekten auf den Schichten der Solarzelle.
Abbildung: Der magnetische Fingerabdruck führte die Forscher zu den Defekten auf den Schichten der Solarzelle.