Ca­rl Louis Bar­gheers „Fie­del­lie­der“. Neu­ar­ti­ge Edi­ti­ons­ver­fah­ren er­probt am Mu­sik­wis­sen­schaft­li­chen Se­mi­nar – Mu­si­ka­lisch-li­te­ra­ri­sche Ma­ti­nee am 10. Fe­bru­ar in Det­mold

Aus Anlass der Veröffentlichung des Notentextes veranstalten die HerausgeberInnen zusammen mit der Hochschule für Musik und dem Musikwissenschaftlichen Seminar Detmold/Paderborn am Sonntag, den 10. Februar, eine musikalisch-literarische Matinee im Brahmssaal des Palais der Hochschule. Zur Aufführung gelangen hier natürlich die Fiedellieder und einige andere Werke Bargheers, vorgetragen von Prof. Markus Köhler (Bariton), Julia Parusch (Violine) und Prof. Peter Kreutz (Klavier). Außerdem liest Prof. Heiner Eckels Auszüge aus Röses Sonnenkind. Beginn ist 11.30 Uhr, der Eintritt ist frei.

Bei der Beschäftigung mit der Lokalgeschichte stößt man ab und zu auf Personen, deren Leben und Werk zunächst schnell abhandelbar erscheinen, sich dann aber als Spitze eines Eisberges offenbaren. So ging es den WissenschaftlerInnen und StudentInnen des Musikwissenschaftlichen Seminars in Detmold, als sie vor mittlerweile zwei Jahren auf den Nachlass des Komponisten Carl Louis Bargheer aufmerksam wurden. Eigentlich war keine tiefer gehende Beschäftigung mit dem Komponisten geplant. Dann aber kamen Johannes Brahms, ein skurriles Märchen und die Lust am Probieren neu entwickelter wissenschaftlicher Werkzeuge ins Spiel.

Bargheer, 1831 in Bückeburg geboren, wirkte bis 1876 in Detmold. Ausgebildet bei Louis Spohr und Joseph Joachim, zwei der bedeutendsten Violinisten ihrer Zeit, war er als Geigenvirtuose und Kapellmeister tätig und beschäftigte sich außerdem „zu seiner eigenen Freude“ auch als Komponist, wie sich seine Tochter Frieda erinnert. Spohr attestierte ihm, er sei „durch ausdauernden Fleiß, und von bedeutenden Naturanlagen unterstützt, zu einem ausgezeichneten Sologeiger“ geworden.

Ab dem 1. Juli 1850 war er in Friedrich Emil Leopold III. Fürst zur Lippes Hofkapelle als Hofmusicus angestellt. Das Verhältnis zu dem musikliebenden Fürsten war von Anfang an von einer großzügigen Unterstützung des Monarchen geprägt. Die Beförderung zum Kammermusicus im Jahre 1856 war der Lohn seiner Mühen und ein untrügliches Zeichen der Anerkennung und Unterstützung Leopolds. Weitere Beförderungen folgten 1860 und 1862. Bargheer unternahm ausgedehnte, vom Fürsten unterstützte Konzert- und Bildungsreisen, die ihn durch ganz Deutschland führten, wobei er in vielen Städten mit Erfolg auftrat. Johannes Brahms, der seit seiner Detmolder Zeit (1857–1859) gut mit Bargheer befreundet war, bemerkte beispielsweise, in Hamburg habe er „allen außerordentlich gefallen und oft recht schön gespielt“.

Als Fürst Leopold im Jahre 1876 verstarb, war Bargheers „schöne Detmolder Zeit“ dann zu Ende: Die Hofkapelle wurde aufgelöst, junge Mitglieder entlassen, ältere pensioniert. Bargheer ging als Konzertmeister an die Hamburger Philharmonie, wo er und seine Fähigkeiten aber weit weniger geschätzt und unterstützt wurden, als das in Detmold der Fall gewesen war. Er blieb in Hamburg und starb dort im Jahre 1902. Eine der erhaltenen Kompositionen Bargheers erwies sich nun für Dr. Stefanie Rauch, Prof. Dr. Joachim Veit  und eine Gruppe von Studierenden des Musikwissenschaftlichen Seminars (Kostadin Delinikolov, Andreas Fukerider, Joachim Iffland, Ran Mo, Agnes Seipelt) als Glücksfall.<//ins> Es handelt sich dabei um die Fiedellieder, eine Vertonung von sechs Gedichten Theodor Storms. Storm hatte ein paar Gedichte für das Märchen Das Sonnenkind seines Freundes Ferdinand Röse geschrieben, die als Gesangseinlagen für den Geige spielenden Protagonisten des Märchens dienen sollten. Später erweiterte er die Gedichtsammlung auf insgesamt zehn Lieder, von denen Bargheer wiederum sechs zur Vertonung auswählte. Diese brachte er durch die zyklische Anordnung in seinem Werk in eine geschlossene Form: Die Fiedellieder sollen vollständig und ohne Unterbrechung aufgeführt werden.

In Zusammenarbeit mit der Lippischen Landesbibliothek, in der der größte Teil der Quellen lagert, und mit Unterstützung des Landesarchivs NRW, Abteilung Ostwestfalen-Lippe, entstand nun eine moderne Hybridedition des Werkes. Sie kombiniert die Möglichkeiten von klassischer Editionsarbeit in Papierform mit neuen, in Detmold entwickelten digitalen Werkzeugen zur wissenschaftlichen Erfassung von Notentexten. Die Noten der Fiedellieder erschienen Anfang Dezember 2012 im Carus-Verlag. Parallel dazu bietet die Website www.edirom.de/llb-bargheer Zugang zu allen erdenklichen Quellen rund um Bargheers Leben und Werk. Neben Biografien Bargheers und anderer Personen aus dem Umkreis der Entstehung der Fiedellieder sind dort zahlreiche Transkriptionen von zeitgenössischen Dokumenten aus der Lippischen Landesbibliothek und dem Landesarchiv verfügbar. So lassen sich z. B. Bargheers Erinnerungen an Johannes Brahms dort in voller Länge abrufen.

Für alle an der wissenschaftlich-kritische Edition der Fiedellieder Interessierten bietet die Webseite sämtliche Ergebnisse, die die Untersuchung der Quellen ergeben hat. Einzigartig ist die Möglichkeit, online auf den vollständigen Scan des Autographs zuzugreifen, was jeden einzelnen Schritt der Arbeit der EditorInnen komfortabel nachvollziehbar macht. Die Webseite befindet sich in einem frühen Stadium und wird laufend ausgebaut.
 

Joachim Iffland, Andreas Fukerider

Musikwissenschaftliches Seminar Detmold/Paderborn