Elisa Klaphecks Gastvortrag, den sie gestern, am 09.10.2012, an der Uni Paderborn hielt, gab einen ganz persönlichen Zugang zur Ethik des Judentums heute. Die Rabbinerin einer liberalen Frankfurter Synagoge bezeichnete sich selbst als Jüdin der Generation, die einerseits durch die negativen Erinnerungen der Shoah und des Antisemitismus und andererseits durch ihre positiven Konnotationen zum Land Israel geprägt ist. Trotz ihrer längeren Aufenthalte u. a. in den Niederlanden und in den USA sei ihr Leitmotiv im Leben immer wieder die Rückkehr nach Deutschland gewesen.
„Ich mache etwas Neues!“ Dieser Impuls führte sie schließlich dazu, selber Rabbinerin zu werden, etwas, das sie sich zuvor gar nicht habe vorstellen können, und eine liberale Synagoge in Berlin zu gründen. Das liberale Judentum besteht ihren Ausführungen zufolge heute aus drei Hauptrichtungen: dem Reformjudentum, dem konservativem Judentum und dem Rekonstruktivismus. Während das liberale Judentum die Gesetze der Thora auf ihre ethischen Grundsätze zurückführe und damit für Reformen weitestgehend offen sei, halte das konservative liberale Judentum an den Gesetzen der Thora fest und verändere sie bzw. entwickle sie weiter. Rabbinerin Elisa Klapheck selbst zählt sich zur dritten Richtung des liberalen Judentums, dem Rekonstruktivismus. Dies sei eine kreative Bewegung des 20. Jahrhunderts, die nicht nur religiöse Aspekte des Judentums umfasst, sondern auch deren kulturelle Implikationen einbezieht. Aus dieser Bewegung heraus formulierte Klapheck das Ziel: „Aus der Erinnerung und der Vergangenheit heraus müssen wir eine Brücke bauen zu etwas Neuem. Dabei sollte heute neben interreligiösen Gesprächen gerade auch der Dialog mit den Nicht-Gläubigen im Fokus stehen.“
Der Gastvortrag von Rabbinerin Elisa Klapheck war eine Veranstaltung, die vom Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften in Kooperation mit der Gesellschaft für Jüdisch-Christliche Zusammenarbeit Paderborn e.V. organisiert worden war. Er stellt einen wichtigen Baustein zur stärkeren Verankerung jüdischer Gelehrsamkeit an der Universität Paderborn dar.
Frau Klapheck nimmt in diesem Semester einen Lehrauftrag an der Universität Paderborn zur Einführung ins Judentum wahr und hielt bereits bei der Tagung zur Interreligiösen Wirtschaftsethik, die diesen Sommer im Heinz-Nixdorf-Forum stattfand, das Eröffnungsreferat. Ihr Vortrag jetzt nahm das dortige Thema auf und setzte es in den Zusammenhang gegenwärtiger Strömungen des Judentums. Prof. Dr. Klaus von Stosch, der Vorsitzende des ZeKK: "Ich freue mich, dass wir mit Rabbinerin Klapheck jetzt eine jüdische Denkerin gefunden haben, die in innovativer, nachdenklicher und faszinierender Weise eine jüdische Stimme im Paderborner Forschungs- und Lehrzusammenhang des Dialogs der Religionen lebendig macht."
Ann-Christin Baumann
ZeKK