15 spannende, vielseitige und ereignisreiche Tage liegen nun hinter der Gruppe aus iranischen und deutschen Studierenden, Promovenden und Lehrenden der Universität Paderborn sowie der Universität der Religionen und Denominationen und der Al-Mustafa Universität in Qom, Iran. Nach einem gelungenen Auftakt des Hochschuldialogprojekts im Februar/März diesen Jahres in Qom waren nun die ca. 25 iranischen Studierenden und Lehrenden nach Paderborn gekommen, um den Dialog hier fortzuführen.
Eine gute Woche lang wurden in der Universität Paderborn Vorträge aus christlicher und muslimischer Perspektive zu unterschiedlichsten Thematiken gehört und diskutiert. So wurden beispielsweise Gadamers Überlegungen zur Hermeneutik reflektiert und in den je eigenen theologischen Kontext transferiert. Kirchenhistorisch wurde der Begriff „Heilige Kriege“ in Frage gestellt und deren aktuelle Implikationen diskutiert. Das Menschenbild wurde aus der Sicht christlicher Religionspädagogik beleuchtet und auch systematisch-theologische Fragestellungen wie diejenigen nach Schuld und Erlösung und nach der Freiheit des Menschen wurden lebhaft diskutiert. Besonders die Workshops, die sich thematisch an den Vorträgen orientierten, erwiesen sich für das interreligiöse Gespräch als äußerst fruchtbar. Der Wechsel in die Perspektive des anderen ermöglichte oftmals ganz neue Einsichten, auch in die eigenen theologischen Denkweisen. Möglichkeiten, miteinander ins Gespräch zu kommen, gab es aber auch außerhalb des akademischen Kontextes. So gaben auch Ausflüge und Besichtigungen in Paderborn, Schloß Neuhaus und Münster Anlass zu intensivem interreligiösem und interkulturellem Austausch.
Aus dem westfälischen, doch recht beschaulichen Umfeld ging es dann weiter in zwei der Metropolen Deutschlands: Berlin und Köln. Dort bot sich unseren iranischen Besuchern ein ganz anderes Stadtbild und Stadtleben. Die Besichtigung Berlins beinhaltete nicht nur die üblichen Sehenswürdigkeiten, sondern auch ein Gespräch mit Josef Winkler, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, eine Führung durch das Jüdische Museum Berlin, bei der jüdisches Leben in Deutschland vor und nach 1933 im Vordergrund stand, sowie die Möglichkeit, das muslimische Leben in Berlin Kreuzberg und Neukölln kennen zu lernen. Neben diesem vielseitigen kulturellen Programm wurde in der Katholischen Akademie in Berlin in Vorträgen und anschließenden Diskussionen über ethische Implikationen der Religionen aus Sicht des Islam und den Zusammenhang von Religion und Gesellschaft in Deutschland – ein Thema, das gerade in Berlin äußerst brisant ist – debattiert. Auch stellte die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften ihr Projekt Corpus Coranicum vor, das auf großes Interesse bei unseren iranischen Freunden stieß, die mit Bedauern feststellen mussten, dass eine Übersetzung der Forschungsergebnisse ins Englische oder Persische bislang noch nicht in Planung ist.
Die letzte Station der Reise war Köln. Dort stand im Vordergrund die Besichtigung von Einrichtungen, die sich der Integration von Immigrantinnen und Immigranten widmen, so das Sozialprojekt „HöVi“ der Katholischen Kirche in Köln-Höhenberg/Vingst und das Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen in Köln-Neuehrenfeld. Muslimisches Leben in Köln wurde auch bei der Besichtigung der neu erbauten Moschee der DiTiB zum Thema. Auch in Köln mangelte es nicht an akademischem Programm. In der Katholischen Fachhochschule Köln wurden die in der Stadt gesammelten Eindrücke vertieft mit Vorträgen zur Struktur und Repräsentation des Islam in Deutschland und zum interreligiösen Dialog und dessen praktischen Erscheinungsformen. Abgeschlossen wurde das akademische Programm durch einen Vortrag zu den Islamwissenschaften im universitären Kontext an der Universität Bonn.
Das vielseitige akademische und kulturelle Programm ermöglichte unseren iranischen Besuchern, aber auch den deutschen Studierenden und Lehrenden unerwartete und intensive Einblicke in Theologie und Lebensweise des jeweils anderen. Freundschaften, die in Qom entstanden waren, konnten vertieft und gefestigt werden, so dass der Austausch während und neben dem offiziellen Programm deutlich spürbar an Intensivität und Offenheit gewann. Als besonders bereichernd wurden von beiden Seiten auch die gemeinsamen spirituellen Erlebnisse empfunden. Ob beim Gottesdienst im Paderborner Dom mit Mädchenchor, Taizé-Gebet bei abendlichem Kerzenschein im Berliner Dom oder Abendgebet im Kölner Dom, das gemeinsame Erleben dieser ganz unterschiedlichen liturgischen Feiern eröffnete für alle Beteiligten neue Perspektiven. Auch bei muslimischem Gebet und Koranrezitation der Iranerinnen und Iraner waren die christlichen und sunnitisch-muslimischen deutschen Gruppenmitglieder herzlich willkommen. Der Höhepunkt des spirituellen Erlebens bildete eine gemeinsam organisierte multireligiöse Andacht mit Gebet und Gesang aus muslimischer und christlicher Tradition.
Am 19. September sind unsere iranischen Freundinnen und Freunde nun wieder in den Iran zurückgekehrt. In uns allen haben diese zwei intensiven Wochen des Kennenlernens und des Austausches viel bewegt. Gemeinsam hoffen wir nun auf einen weiterhin friedlichen Verlauf der iranisch-westlichen Beziehungen und damit auch auf die Möglichkeit der Fortführung des Projekts.