Das Wissenschaftsmagazin Science berichtet in der aktuellen Ausgabe
Physikern der Universität Paderborn ist in Kooperation mit Kollegen aus Erlangen, Prag, Budapest und Sydney erstmals gelungen, ein Experiment zur Beschreibung von Teilchenbewegungen in einem Gitter zu realisieren. Damit könnten z.B. Prozesse bei der Photosynthese von Pflanzen oder Stromtransport in Metallen besser verstanden werden. Federführend bei der Verwirklichung des neuartigen Experiments ist die Arbeitsgruppe der Leibniz-Preisträgerin Frau Prof. Dr. Christine Silberhorn. Die Ergebnisse wurden gestern im Wissenschaftsjournal Science veröffentlicht.
Wenn ein Tourist auf Sightseeing-Tour an jeder Weggabelung eine Münze wirft, um zu entscheiden in welche Richtung er weitergeht, so überlässt er sein Ziel dem Zufall. Je mehr Weggabelungen der Tourist auf seiner Zufallswanderung bereits passiert hat, desto größer ist die Zahl der Orte, an denen er sich aufhalten kann. Sein Aufenthaltsort sagt allerdings nichts über den gewählten Weg aus – aber natürlich ist er nur exakt einen Weg gelaufen.
Dies ändert sich jedoch, wenn der Spaziergänger den Gesetzen der Quantenphysik gehorcht. Erstaunlicherweise geht der Quantenspaziergänger alle Wege gleichzeitig. An Wegpunkten, die er zweimal passiert haben muss, kann sich dieser seltsame Spaziergänger sogar selbst ausgelöscht haben. Ein Quantenspaziergänger bleibt er allerdings nur dann, wenn er niemanden über seine Route informiert. Misst man seinen Aufenthaltsort an jeder Gabelung nach, wird der Quantenspaziergänger zum normalen Touristen. Die Wahrscheinlichkeit, mit der ein solcher Quantenspaziergänger seine Ziele erreicht, weicht von der des Zufallswanderers deutlich ab. Solche Phänomene treten in der Physik immer dann auf, wenn der Aufenthaltsort eines Teilchens unbekannt ist und nur über Wahrscheinlichkeiten beschrieben werden kann.
Das von Silberhorns Arbeitsgruppe aufgebaute Experiment erlaubt nun die Durchführung solcher Quantenspaziergänge in einem Gitter mit 169 Wegpunkten. Statt eines Teilchens, das sich in einem räumlichen Gitter bewegt, schicken die Forscher kurze Lichtpulse durch eine Glasfaseranordnung auf die Reise. „An einem Gabelungspunkt entscheidet der Zufall darüber, welche Glasfaser durchlaufen wird. Diese haben eine unterschiedlich Länge, so dass der Puls eine zeitliche Verzögerung von 46 Nanosekunden erfährt“, erklärt Andreas Schreiber, der das Projekt im Rahmen seiner Promotion experimentell umgesetzt hat.“ Am Ende jeder Messung wird die Laufzeit ausgewertet und daraus auf die Zielposition im Gitter geschlossen.“
Das Experiment kann allerdings auch vollständig so interpretiert werden, als ob sich statt des einen Quantenspaziergängers zwei bewegen würden, wobei dann statt der vier Richtungsentscheidungen nur zwei offen sind. Mit der Anordnung lassen sich damit auch Erkenntnisse darüber gewinnen, ob und wie sich zwei Objekte auf ihrem Quantenspaziergang gegenseitig beeinflussen.