Burn-out im Profifußball ist spätestens seit den öffentlichen Stellungnahmen von Markus Miller, Torwart von Hannover 96, und von Ralf Rangnick, Ex-Trainer von Schalke 04, wieder in den öffentlichen Fokus gerückt.
Prof. Dr. Matthias Weigelt, der seit Oktober den neuen Lehrstuhl für Sportpsychologie im Department Sport & Gesundheit der Universität Paderborn leitet, überrascht die Zunahme der psychischen Erkrankungen nicht.
"Der Sport ist ein Spiegelbild der Gesellschaft", so Prof. Weigelt. Mit seinem Team nimmt er besonders den Breiten- und Jugendsport sowie die Sportlehrer selbst in den Fokus. "Ein wichtiger Bestandteil der Professur ist es, bestimmte Beratungs- und Betreuungsleistungen für den organisierten Sport in OWL, verschiedene Gesundheitseinrichtungen und die örtlichen Schulen bereitzustellen", erklärt Weigelt, der auch Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) in Deutschland ist.
Gerade Lehrer seien bekanntlich eine sehr stark Burn-out gefährdete Berufsgruppe. Bei Sportlehrern gebe es dafür vielfältige Gründe: "Das fängt mit der permanenten Lautstärke an, die in Turn- und Schwimmhallen nun einmal herrscht, geht mit dem typischen Mobbing weiter und hört bei oftmals überzogenen Selbstansprüchen vieler Lehrer auf. Manche glauben, sich den Respekt ihrer Schüler nur dadurch erarbeiten zu können, dass sie die Übungen selbst vormachen."
Bislang gebe es diesen konkreten Blick auf die psychische Gesundheit eines Lehrers noch nicht. "Für Schüler gibt es Hilfestellungen, die Schulen haben in Sachen Lehrpersonal aber noch Nachholbedarf." Die Professur Sportpsychologie möchte daher Möglichkeiten aufzeigen, mit dieser Belastung umzugehen und strebt enge Netzwerke mit den sportbetonten Schulen der Region an. Zudem soll es künftig regelmäßige Veranstaltungen beim Tag des Schulsports des Departments Sport & Gesundheit geben.
"Es ist wichtig, beim Lehrpersonal eine Akzeptanz dafür zu entwickeln, dass man mit gezielten Trainingsmethoden gegen psychologische Belastungen vorgehen kann." Prof. Weigelt, der selbst 18 Jahre lang als Leistungssportler Judo betrieb, weiß, dass immer noch viele Klischees herrschen, wenn es um psychologische Methoden geht. "Unsere Arbeit hat nichts mit spirituellem Hokuspokus zu tun. Es sind aber leider immer noch viele Scharlatane unterwegs."
Neben dem Schulsport werden Weigelt und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter künftig auch grundlegende Methoden und Techniken des sportpsychologischen Trainings für den Breiten- und Leistungssport vermitteln. Angestrebt wird eine enge Zusammenarbeit mit dem organisierten Sport in der Region, z.B. dem Ahorn Sportpark, um ein Nachwuchsförderungskonzept im Kinder- und Jugendsport aufzubauen.
Um den psychologischen Aspekt erweitert werden soll zudem die deutschlandweit einmalige Kooperation zwischen der Sportwissenschaft und der Paderborner Golfakademie. "Der Golfsport bietet eine hervorragende Plattform als Lehr-, Lern- und Forschungswerkstatt für psychologisches Training", meint Matthias Weigelt.
Zusatzinformation:
Prof. Dr. Matthias Weigelt ist seit Oktober 2011 Professor für Sportpsychologie im Department Sport & Gesundheit der Fakultät für Naturwissenschaften der Universität Paderborn. Ein großer Forschungsschwerpunkt des 36-Jährigen ist die Expertise und Kopplung von Wahrnehmung und Handlung. Dabei wird beobachtet, wie es Sportlern gelingt, aus dem Strom an Ereignissen und Einflüssen, die während eines Spiels oder Zweikampfes auf sie einströmen, die entscheidenden Handlungsinformationen herauszufiltern und diese dann gewinnbringend einzusetzen.
Ein weiterer Punkt ist der neurokognitive Aspekt des sportlichen Trainings. Im Mittelpunkt steht hier die Verbindung zwischen Gehirn und Verhalten. Dabei geht es um die interne Zusammenarbeit verschiedener Hirnfunktionen und den äußeren Einfluss durch Trainingsmethoden. Den letzten Forschungsschwerpunkt des Lehrstuhls von Prof. Weigelt bildet die Entwicklung kognitiver und motorischer Fertigkeiten bei Kindern sowie älteren Menschen.
Prof. Weigelt ist im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie, die sich um die Ausbildung von Sportpsychologen kümmert und unter anderem eng mit der Robert-Enke-Stiftung sowie der Fußballer-Gewerkschaft VDV kooperiert. Seine Arbeiten wurden darüber hinaus bereits mehrfach von der Deutschen Vereinigung der Sportwissenschaft ausgezeichnet.
Fotos (Universität Paderborn, Mark Heinemann):