Steffen Becker ist seit April 2010 als Juniorprofessor im Fachgebiet Softwaretechnik der Universität Paderborn tätig und erforscht, wie Software-Systeme zuverlässiger konstruiert werden können. In seiner neuen Wahlheimat fühlt er sich dabei sichtlich wohl.
„Als Softwaretechniker kommt man natürlich gern nach Paderborn“, sagt er und begründet dies nicht nur mit dem guten Ruf des Instituts. Becker bezieht sich auch auf die vielfältigen Möglichkeiten, mit Einrichtungen wie dem s-lab, dem C-LAB und dem HNI kollaborieren zu können. Für sein Forschungsgebiet, der modellgetriebenen und komponentenbasierten Software-Entwicklung, sei Paderborn ein attraktiver Standort.
Nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik in Darmstadt war Steffen Becker von 2003 bis 2007 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Projekt „Palladio“, unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Ralf Reussner, an den Universitäten Oldenburg und Karlsruhe (TH) angestellt. Mit dem Palladio-Komponentenmodell, das nach dem italienischen Renaissance-Architekten Andrea Palladio benannt wurde, entwickelte die Forschungsgruppe Werkzeuge und Methoden, mit denen ingenieursmäßige Entwürfe von Software-Systemen hergestellt werden können, deren Eigenschaften vorhersagbar sind.
Beckers Dissertation mit dem Titel "Coupled model transformations for QoS enabled component-based software design” trug maßgeblich zur Entwicklung dieses Modells bei. Nach seiner Promotion blieb Becker zunächst in Karlsruhe und übernahm am dortigen FZI die Position des Abteilungsleiters im Forschungsbereich Software Engineering. Anknüpfend an die Erfahrungen der Palladio Forschungsgruppe setzt Becker die Arbeit mit komponentenbasierten und dienstorientierten Software-Systemen am Institut für Informatik in Paderborn fort. Ähnlich wie ein Ingenieur oder Architekt, der zunächst die Statik einer Brücke oder eines Hauses berechnen muss, entwirft Becker Modelle von geplanten Software-Systemen, bevor sie in Betrieb genommen werden.
Statt mit Hauswänden befasst er sich allerdings mit den Qualitätsanforderungen der jeweiligen Software, um ihre „Statik“, also Qualitätseigenschaften, vorhersagen zu können. Die Verlässlichkeit der Software-Architektur hängt davon ab, ob alle Systemanforderungen erfüllt sind. Deshalb konstruiert Steffen Becker Modelle, die es ihm ermöglichen, sichere Vorhersagen über die Performance- oder Zuverlässigkeitseigenschaften der Software-Systeme treffen zu können. Wie wichtig diese (Vor-) Arbeit, also die Modellierung, Analyse und Optimierung von Software-Architekturen ist, verdeutlicht Becker an einem Beispiel aus dem Alltag.
Beim Ausfall des Gepäcksortiersystems am Londoner Flughafen im Jahr 2008 war das System überlastet und brach zusammen. Zwischenzeitlich blieben 15.000 Gepäckstücke unbearbeitet liegen. In diesem Fall wurden die Anforderungen des Software-Systems vor seinem Einsatz offenbar nicht hinreichend überprüft. Die frühzeitige Analyse von Software-Systemen kann aber nicht nur Chaos, sondern im Zweifelsfall auch viel Geld sparen, denn ähnlich wie beim Hausbau ist ein nachträglicher Umbau einer fehlerhaften Software sehr kostenaufwändig. Mit guten Vorhersagen auf der Basis der komponentenbasierten Modelle können mögliche Schwachstellen in den Software-Systemen von vornherein verhindert werden.
„Das Ziel der Softwaretechnik ist es, ein Handbuch zu schreiben, das Anforderungen systematisch auf mögliche Entwürfe abbildet“, schließt Becker visionär ab. Mit einem solchen Buch hätte das Chaos am Londoner Flughafen vielleicht vermieden werden können.