‚Wer Schule nicht als Bildungsstätte sieht, sondern als Selektionsinstrument missversteht, wird auch Selektion statt Bildung ernten’, so eine der zentralen Thesen des Erziehungswissenschaftlers und Grundschullehrers Dr. Falko Peschel, der am vergangenen Dienstag sein Konzept hochgradiger Individualisierung im Unterricht an der Universität Paderborn vorstellte. Sein Vortrag „Individualisiertes und selbstbestimmtes Lernen in einem radikal geöffneten Unterricht“ stieß sowohl im Hinblick auf konzeptionelle und theoretische Grundlagen als auch in Bezug auf die vielfältigen praktischen Erfahrungsberichte auf großes Interesse beim Auditorium.
Rund 300 Interessierte, z. T. angereist aus Dortmund, Lemgo und Werl, besuchten die Veranstaltung, die von Prof. Petra Büker aus dem Institut für Erziehungswissenschaften / Arbeitsbereich Grundschulpädagogik in Kooperation mit dem Zentrum für Bildungsforschung und Lehrerbildung (PLAZ) der Universität Paderborn organisiert wurde. Zwischen vielen Lehramtsstudierenden und Lehramtsanwärtern und -anwärterinnen befanden sich auch zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer, die Näheres über die übergreifenden Aspekte von Peschels Arbeit sowie Aspekte der Planung und Durchführung eines solchen Unterrichts erfahren wollten. Darin wird Selbststeuerung nicht auf das Abarbeiten vorgegebener Aufgaben, Aufträge oder Pläne reduziert, sondern als selbstverantwortliches und selbstbestimmtes Lernen gesehen – von Anfang an und mit Bezug auf demokratische Prinzipien. Dieses breit dokumentierte, evaluierte und veröffentlichte Konzept des offenen Unterrichts setzt Falko Peschel in der von ihm gegründeten Bildungsschule Harzberg in Lügde konsequent um.
Peschel ermutigte die angehenden und bereits praktizierenden Lehrer, durchaus vorhandene Gestaltungsspielräume in ihrer Arbeit zu erkennen und zu nutzen. Seiner Meinung nach erklärt sich ein Großteil der Unzufriedenheit sowohl auf Lehrer- wie auch auf Schülerseite durch den Umstand, dass im Unterricht oftmals Fragen gestellt und beantwortet werden, deren Antwort die Lehrperson bereits kennt. In seinem Stufenmodell des offenen Unterrichts vollzieht er die Schritte von der Öffnung der Organisation über Methode und Inhalt bis hin zur sozialen Öffnung, in der Basisdemokratie und Selbstbestimmung der Schüler als Grundsätze der Lerntätigkeit stehen.
Nach dem Vortrag nutzten rund 60 Personen die Möglichkeit, in einer Anschlussdiskussion die Thematik zu vertiefen. Die zahlreichen Nachfragen zeigten, dass die praktische Umsetzung dieses Ansatzes im Zentrum des Interesses stand: „Wie kann ich in meiner Klasse anfangen, langsam den Unterricht zu öffnen? Welche Möglichkeit habe ich, mich mit anderen Aktiven zu vernetzen? Wie genau sehen Zusammenarbeit und Reaktionen der Eltern aus? Wie geht es Schülern, die nach vier Jahren im Offenen Unterricht in der weiterführenden Schule eine andere Art von Unterricht erfahren? Wie ließe sich ein Konzept der maximalen Freiheit in der Sekundarstufe umsetzen?“ Aber auch Grenzen dieses Konzeptes, die Evaluation der Ergebnisse und theoretische Hintergründe wurden vom Auditorium kritisch hinterfragt. Das Angebot, in Kontakt mit der Bildungsschule Harzberg zu treten und im Rahmen von Praktika oder Hospitationen den offenen Unterricht vor Ort zu erleben, wurde von vielen Zuhörern positiv aufgenommen. Abschließend dankte Prof. Büker dem Referenten und den Zuhörern und stellte heraus, dass die Authentizität von Falko Peschel und seine Maxime, die eigene Überzeugung zu leben, wichtige Impulse für jeden sein können, der im Bildungsbereich tätig ist.