Durchlässigkeit in der Bildung als strategische Herausforderung
Am 27. November 2009 trafen sich beim Gastgeber der Infracor GmbH in Marl Experten aus Chemie und Wissenschaft, um im Rahmen der ersten Beiratssitzung des BMBF-geförderten und von der Universität Paderborn koordinierten Verbundprojekts DAWINCI über die Möglichkeiten zur Verbesserung der Durchlässigkeit in der Aus- und Weiterbildung in der Chemischen Industrie zu beraten.
Das Projekt DAWINCI, das bereits im Frühjahr diesen Jahres gestartet war, hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: ein Konzept zur Anschlussfähigkeit beruflicher Kompetenzen und Qualifikationen bei der Aus- und Weiterbildung in der Chemischen Industrie zu entwickeln, umzusetzen und in der Praxis nachhaltig zu verankern. Dabei geht es um die berufliche Entwicklung vom Chemikanten und den Laborberufen zum Industriemeister Chemie bzw. Chemietechniker. Darüber hinaus sollen auch Handlungsempfehlungen zur Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen für die Ausbildung zum ersten akademischen Grad (Bachelor) erarbeitet werden.
Die ausgewählten Berufsbilder sind von zentraler Bedeutung für die Chemie-Branche. Der Chemikant ist der ausbildungsstärkste Beruf innerhalb der Chemie und die wichtigste Produktionskraft der Branche. Annähernd ebenso ausbildungsstark sind die Laborberufe wie Chemie-, Biologie- und Lacklaborant. Dem Industriemeister Chemie kommt als Schnittstelle zwischen Produktion und Betriebsleitung eine entscheidende Funktion als betriebliche Führungskraft im Produktionsumfeld zu, wohingegen dem Chemietechniker in den forschungs- und anwendungstechnischen Unternehmensbereichen diese Aufgabe obliegt.
Eine wichtige Projektaufgabe besteht in der Entwicklung didaktisch wertvoller eLearning-Bausteine, die eine hohe Praxisrelevanz haben, weil sie sowohl spezielle Lücken schließen als auch Übergänge zwischen verschiedenen Ausbildungsstufen erleichtern sollen. Neben der Analyse von Bildungsbiografien und der Entwicklung passgenauer Ausbildungsinhalte geht es auch darum, neue Formen des kooperativen Lernens und des Nachweises von erworbenen Kompetenzen mittels ePortfolios zu entwickeln, denn die Verbesserung der Durchlässigkeit erfordert Konzepte, die unabhängig von den jeweils spezifischen Bildungsinfrastrukturen einzelner Betriebe oder Ausbildungseinrichtungen sind.
Der Universität Paderborn kommt im Rahmen dieses Projekts eine zweifache Aufgabe zu. Prof. Niclas Schaper befasst sich mit der Frage der Kompetenzanalyse und -diagnostik. Hier soll ein einheitliches Kompetenzraster der Chemieberufe entwickelt werden, das zugleich Grundlage für das zweite Teilprojekt der Universität Paderborn ist, das von Prof. Reinhard Keil vom Heinz Nixdorf Institut betreut wird. Er ist Koordinator des Gesamtprojekts und kümmert sich um den Aufbau einer kooperativen Lernumgebung, wobei speziell auch ein System zum Lernportfoliomanagement entwickelt werden soll, das technisch, konzeptuell und inhaltlich sowohl die Anforderungen an die Dokumentation individueller Bildungswege als auch ihre Einbettung in Bildungs- und Ausbildungsstrukturen unterstützt.
„Dieses Projekt soll einerseits die chemische Industrie in die Lage versetzen, angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels den zusätzlichen Bedarf durch mehr Flexibilität sichern zu können,“ stellt Dr. Jürgen Metternich, Leiter der Ausbildung bei der Infracor GmbH in Marl, fest. Und Dr. Steffan Ritzenhoff, Chef der Creos Lernideen und Beratung GmbH aus Bielefeld, ergänzt: „Andererseits ist es Ziel des Projekts, den Beschäftigten zu helfen, sich in einem sich stetig wandelnden Arbeitsumfeld individuelle Karrierewege zu eröffnen und die eigene Beschäftigungsfähigkeit zu sichern.“
„Alle müssen hier an einem Strang ziehen, denn wie Prof. Keil feststellt, „Man kann zwar jemanden für sich arbeiten, jedoch nicht für sich lernen lassen.“ Organisatorische, strukturelle und persönliche Veränderungen müssen Hand in Hand gehen, wenn das Projekt erfolgreich sein will. In einer Wissensgesellschaft ist man nur dann für die Zukunft gerüstet, wenn Wissen nicht nur einmalig erworben, sondern fortwährend erneuert, angepasst und erweitert wird.
Mit diesem Vorhaben zeigt die Branche, dass sie sich den Herausforderungen der Zukunft stellt und ihnen mit innovativen Ansätzen begegnet. Die Partner sind sich aber auch der Schwierigkeiten bewusst, die es noch zu überwinden gilt. „Der Weg von einer guten Idee zur nachhaltigen Praxis ist lang und führt durch unebenes Terrain,“ sagt Heinz Schlieper, Leiter der CSSA (Chemie-Stiftung Sozialpartner Akademie), „aber wir sind überzeugt, dass dieses Projekt einen wichtigen Meilenstein in dieser Entwicklung darstellt.“
Weitere Informationen finden sich unter http://dawinci-projekt.de/.