US-Wahl: Wis­sen­schaft­ler der Uni­ver­si­tät Pa­der­born ord­net die mög­li­chen Aus­wir­kun­gen des Wahl­er­geb­nis­ses ein

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Am 5. November fällt in den USA die Entscheidung, wer der oder die Nachfolger*in von Präsident Joe Biden wird. Kamala Harris oder Donald Trump? Das ist zwar die essenzielle, aber nicht die einzige Frage, die sich stellt. Wie wirkt sich der Ausgang der US-Wahl beispielsweise auf Universitäten in Deutschland aus? Und welche Herausforderungen oder neuen Hürden könnte es geben? Im Interview ordnet Prof. Dr. Peter Fäßler, Zeitgeschichte an der Universität Paderborn, einen möglichen Wahlsieg Trumps mit Blick auf die Auswirkungen auf das Hochschulsystem ein. Denn das Ergebnis der Präsidentschaftswahl wirft unter anderem Fragen hinsichtlich internationaler Kooperationen, Forschungsfinanzierung, Austauschprogrammen für Studierende und Dozent*innen sowie der akademischen Freiheit auf.

Welche Vorüberlegungen müssen angestellt werden, bevor es um die konkreten Fragen zu den möglichen Auswirkungen gehen kann?

Prof. Dr. Peter Fäßler: Wir sprechen heute ja über Erwartungen und Prognosen mit Blick auf die kommenden Jahre. Dafür gibt es drei wichtige Quellen: Trumps grundsätzliche Agenda, also sein Wahlprogramm „Agenda 47“ sowie seine zahlreichen öffentlichen Äußerungen, die Einschätzungen von Expert*innen aus der Wirtschaft, Wissenschaft und aus dem Bildungswesen sowie die Erfahrungswerte aus Trumps Amtszeit von 2017 bis 2021. Dabei ist bemerkenswert, dass Bildung und Wissenschaft in seinem Wahlprogramm keinen prominenten Platz einnehmen. Vielmehr prägt eine diffuse Kritik am „wissenschaftlichen Establishment“ seine Haltung. Dennoch wird Trump bei einem Wahlsieg nicht einfach seine Agenda verfolgen und „durchregieren“ können. Kongress, Repräsentantenhaus und Senat haben ihn in der Vergangenheit immer wieder ausgebremst, staatliche Universitäten fallen in den Zuständigkeitsbereich der Bundessstaaten u.a. Gleichwohl gibt es etliche Stellschrauben, an denen Trump drehen kann – und es voraussichtlich auch wird.

Welche Stellschrauben sind das zum Beispiel?

Fäßler: Die wichtigste Stellschraube ist natürlich das Geld. Trump strebt Kürzungen für unliebsame Einrichtungen an, beispielsweise im Bereich Kultur- und Geisteswissenschaften. Themen wie Genderforschung, „Critical Race Theory“ und Postkolonialismus gehören zu den Forschungsfeldern, die er gerne verbannen möchte. Im Bereich der Natur- und Technikwissenschaften stört sich Trump vor allem an der Klima- und Umweltforschung. Dagegen dürften Gelder üppig in die Rüstungsforschung, IT und KI oder auch in die Halbleitertechnik fließen. Und auch diese Themen haben Auswirkungen auf den Bildungs- und Wissenschaftssektor.

Wie könnte das Ergebnis der US-Wahl die internationalen Forschungskooperationen und Partnerschaften zwischen Universitäten in den USA und im Ausland beeinflussen, insbesondere in Bezug auf Visa-Regelungen für Forschende und Studierende?

Fäßler: Es ist anzunehmen, dass Trump mit seiner „America First“-Ausrichtung die internationale Zusammenarbeit bei Studium und Forschung zurückfahren wird. Allerdings ist das nicht seine alleinige Entscheidung. Vieles wird weiterlaufen können, da es Verträge gibt und Änderungen nicht einfach im laufenden Betrieb vollzogen werden dürfen. Doch dass Trump Kürzungen vornehmen möchte, wird im Bereich der Kooperationen und Partnerschaften zukünftig schon greifen – auch, wenn er auf Widerstand stoßen wird. Von Berichten des Deutschen Akademischen Austauschdiensts, der Humboldt-Stiftung und auch des Fulbright-Programms ist mir bekannt, dass die Zahl der Stipendien während Trumps erster Amtszeit zurückgegangen war. Und auch die Zahl der H-1 B-Visa für hochqualifizierte Arbeitnehmer*innen war erstmalig unter Trump rückläufig. Bezüglich der Kooperationen und Partnerschaften muss man bedenken, dass Trump gegen Europa (noch) keinen so harten Kurs fährt, aber wir dennoch mit Einschränkungen rechnen müssen.

Welche Veränderungen in der Bildungspolitik und -finanzierung könnten sich aus der US-Wahl ergeben, und wie würden diese Veränderungen die Verfügbarkeit von Forschungsgeldern, Stipendien für internationale Studierende und institutionelle Budgets von Universitäten beeinflussen?

Fäßler: Vermutlich wird der bisher schon beobachtbare Trend zur Privatisierung von Bildung und Wissenschaft weiter fortgesetzt. Unter der ehemaligen Bildungsministerin Betsy DeVos – sie war von 2017 bis 2021 Teil der Regierung Trumps – wurden zudem Förderprogramme für sozial schwächere Schüler*innen stark heruntergefahren, was wiederum die Schere zwischen Arm und Reich in den USA vergrößerte. Eine solche Kürzung könnte sich auch auf weitere Bereiche im Bildungswesen ausweiten. Stipendien könnten ebenso betroffen sein. Trump möchte außerdem Kündigungen bestehenden Universitätspersonals vorantreiben, um Neueinstellungen zu ermöglichen. Fächerübergreifende Programme möchte er teilweise ganz streichen. Unter anderem wären zum Beispiel „Gender Studies“ betroffen. Widersprüchlich zu all diesen Überlegungen ist auf der anderen Seite Trumps Idee einer konservativen, seiner Agenda verpflichteten „American Academy“, die er gründen möchte, um gebührenfreies Studieren zu ermöglichen.

Inwiefern könnte das Wahlergebnis die Priorisierung und Finanzierung von Forschungsbereichen wie Klimawandel und Nachhaltigkeit verändern und welche Auswirkungen hätte dies auf Universitäten, die in diesen Bereichen Schwerpunkte setzen?

Fäßler: Es wurden während Trumps erster Amtszeit bereits Kürzungen angekündigt, die die „Environmental Protection Agency“, kurz EPA, und die „Agency for Healthcare Research and Quality“ betreffen. Da hatte der Kongress widersprochen. Allerdings herrschte unter Trump ein Klima der Denunziation und Angst, wenn es um klimapolitische Themen geht. Forschende der EPA haben zum Beispiel wichtige Daten ins Ausland transferiert, um sie für die Zukunft zu sichern. Denn es besteht die Sorge, dass unter einer Trump-Regierung internationale Forschungsprojekte eingestellt werden und der Zugriff auf wichtige Daten im Bereich des Klimawandels und der Energiewende zukünftig verweigert oder auch essenzielle Daten nicht mehr erstellt werden. Auch wurden Mitarbeiter mit Publikationssperren belegt bzw. durften sich nicht öffentlich zu bestimmten Themen äußern.

Wie könnte die Politik der gewählten Regierung in Bezug auf Innovation, Technologietransfer und die kommerzielle Nutzung akademischer Forschung den Austausch zwischen Universitäten und der Industrie in den USA und international beeinflussen?

Fäßler: Es ist anzunehmen, dass Trump mit seinen aktuellen Unterstützer*innen auch weiterhin eng zusammenarbeiten wird. Dazu zählen unter anderem einflussreiche, technologie- und technikaffine Unternehmer im Silicon Valley, die hohe Budgets zur Verfügung stellen könnten, teilweise in Milliardenhöhe. Im Bereich der IT, Halbleitertechnologie und auch Quantentechnologie könnte die Zusammenarbeit entsprechend forciert werden. Gleichwohl ist auch bei diesen Themen zu beachten, dass Trump voraussichtlich seinen „America first“-Kurs verfolgen wird. Sehr anwendungsbezogene Zukunftstechnologien werden demnach vermutlich profitieren, doch ob eine internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich, in dem eine gemeinsame Forschung sinnvoll und zielführend wäre, weitergeführt wird, bleibt fraglich. Ich könnte mir vorstellen, dass Trump gegen Europa keinen so harten Kurs in diesen Bereichen fahren wird, sein Augenmerk wird aber bezüglich des Konkurrenz- und Bedrohungsgedanken bestimmt auf China und den arabischen Staaten liegen.

Welchen Einfluss könnte das Ergebnis der US-Wahl auf die akademische Freiheit und die kulturelle Vielfalt auf dem Campus haben, vor allem in einem Klima, in dem Themen wie freie Rede und Inklusion zunehmend politisiert werden?

Fäßler: Anhand der verschiedenen öffentlichen Auftritte Trumps lässt sich ablesen und einschätzen, dass er das aktuell aufgeheizte Klima nicht harmonisieren wird, sondern – im Gegenteil – selbst weiter für Erhitzung sorgen wird. Außerdem war in der Vergangenheit zu beobachten, dass Präsidenten während einer zweiten Amtszeit anders handeln als in der ersten. So kann es passieren, dass Trump einen härteren Kurs fahren möchte. Weniger Rücksichtnahme wäre eine mögliche Folge. Es gibt bereits eine atmosphärische Vergiftung. Mit einem Wahlsieg Trumps kann ich mir durchaus vorstellen, dass insbesondere die Redefreiheit betroffen und eingeschränkt wäre. Und auch da möchte ich sagen, dass Trump zum Glück nicht allein „durchregieren“ kann. Selbst bei einem Präsidentenerlass gibt es immer noch die wichtigen „Checks and Balances“. Es gibt außerdem Erfahrungswerte aus der Vergangenheit, aber diese lassen sich natürlich nicht 1:1 auf heute übertragen. Grundsätzlich denke ich, dass die kulturelle Vielfalt, Inklusion und freie Rede stark eingeschränkt und verändert werden, sollte Trump wieder US-Präsident werden.

Werfen wir auch noch einen Blick auf das andere Szenario: Wie sehen Ihre Prognosen für einen Wahlsieg von Harris aus?

Fäßler: Es gibt einige Entwicklungen die lagerübergreifend zwischen den Konkurrenten sind, dazu zählen zum Beispiel die Vorbehalte gegenüber asiatischen Mitstreiter*innen auf dem Weltmarkt. Auch Harris wird diese Entwicklungen stark im Blick haben. Es handelt sich nicht um ein Trumpsches Alleinstellungsmerkmal. Außerdem wird auch Harris die Forschungsschwerpunkte und Unterstützung in den Schlüsseltechnologien sehen. Allerdings wird Harris nicht den atmosphärischen Kulturkampf führen, sondern, so meine aktuelle Einschätzung, versuchen, die Wogen zu glätten. Es bleibt abzuwarten und ich blicke sehr gespannt auf die US-Wahl.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Foto (Universität Paderborn, Besim Mazhiqi): Am 5. November fällt in den USA die Entscheidung, ob Donald Trump oder Kamala Harris Nachfolger*in von Präsident Joe Biden wird.

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