„Der Was­ser­stoff wird sei­nen Weg ge­hen“

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Interview mit Prof. Dr. Matthias Bauer

Für einen erfolgreichen ⁠Klimaschutz⁠ ist die Wende weg von fossiler Energie hin zu erneuerbaren Energien unerlässlich. Prof. Dr. Matthias Bauer, Professor für Anorganische Chemie nachhaltiger Prozesse an der Universität Paderborn, ist sich sicher, dass die sinnvolle Nutzung von Wasserstoff alternativlos ist. In verschiedenen Projekten forscht er u. a. an der Herstellung und Speicherung von grünem Wasserstoff. Im Gespräch erklärt der Paderborner Wissenschaftler zudem, dass es gerade bei der Speicherung und dem Transport von Wasserstoff noch einige Hürden zu überspringen gibt, ehe das kleinste Molekül in Verkehr, Industrie und als Energieträger seinen Siegeszug antreten kann.

Herr Prof. Dr. Bauer, zusammen mit der französischen Partnerorganisation „Agence nationale de la recherche“ (ANR) forschen Sie in einem DFG-geförderten Projekt an der Herstellung von grünem Wasserstoff. Wann ist Wasserstoff denn „grün“?

Grüner Wasserstoff ist die Art von Wasserstoff, die ohne die Nutzung fossiler Rohstoffe erzeugt wird. Aktuell wird der Wasserstoff immer noch sehr häufig aus der Dampfreformierung oder aus der Kohlevergasung gewonnen, für die man allerdings Methan und Kohle braucht. Klassisch spricht man von grünem Wasserstoff, wenn man bei der Elektrolyse von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff grünen Strom aus erneuerbaren Energien verwendet, der kein CO2 produziert. Nach meinem Verständnis sollten dabei sowohl die Rohstoffe als auch die Energiequellen erneuerbar sein.

Sie setzen bei der Erzeugung von Wasserstoff auf Sonnenlicht und verfügbare Rohstoffe wie Eisen. Was zeichnet Ihre Forschung aus?

Wir betreiben Grundlagenforschung, mit der wir die fundamentalen Prozesse der photokatalytischen Wasserstofferzeugung untersuchen wollen. Normalerweise wird Wasserstoff vor allem durch Elektrolyse, also rein elektrochemisch durch Strom erzeugt. Wir arbeiten dagegen photochemisch, indem wir Wasser spalten und dafür das Sonnenlicht als wirklich unerschöpfliche Quelle nutzen. Wenn man Wasser in dieser Form in seine Bestandteile zerlegen möchte, braucht man immer auch einen Katalysator. Und dabei greifen wir auf Metalle zurück, die verfügbar sind. Eisen spielt als vierthäufigstes Element auf der Erde natürlich eine große Rolle.

Das Projekt läuft bis Ende 2024. Zu welchen Erkenntnissen sind Sie bisher gekommen?

Wir verbinden einen Photokatalysator, der das Sonnenlicht sammelt, mit einem Katalysator, der das Wasser in Wasserstoff zerlegt. Das heißt, dass wir das Sonnenlicht, das am Eisen gesammelt wird, auf die Energie vom Cobalt übertragen, um die Stoffe umwandeln zu können. Da sind chemisch natürlich ganz, ganz viele fundamentale Prozesse involviert, die im milliardsten Teil einer millionstel Sekunde ablaufen. Wir versuchen, diese mit ultrakurzen Lichtblitzen, der sogenannten Femtosekunden-Spektroskopie, sichtbar zu machen. Damit können wir uns die einzelnen Prozesse angucken. So verstehen wir erst, wie so ein Übertrag von der Sonnenenergie von einem auf das andere Zentrum funktioniert.

Die Erzeugung von grünem Wasserstoff allein reicht nicht aus, er muss auch entsprechend gespeichert werden. Ist die Infrastruktur dafür überhaupt schon vorhanden?

Oft wird behauptet, dass man das Gasnetz nutzen kann, um Wasserstoff zu transportieren. Und das ist grundsätzlich richtig. Jedes Gas lässt sich transportieren. Leider hat der Wasserstoff eine unangenehme Eigenschaft. Es ist das kleinste Molekül, das wir kennen. Dadurch bewegt sich das Wasserstoffmolekül aber auch am schnellsten und jedes Mal, wenn Sie ein Rohr verbinden wollen, diffundiert der Wasserstoff einfach hinaus. Das heißt: Sie können nach technischen Maßstäben eine dichte Verbindung haben und trotzdem kann der Wasserstoff aus dieser Verschraubung entweichen. Und das macht es natürlich problematisch. Wenn man so Wasserstoff transportieren möchte, muss man aktuell große Verluste in Kauf nehmen oder sich andere Verfahren für den Transport überlegen.

Gibt es in diesem Bereich denn bereits Lösungsansätze?

Es gibt feste Wasserstoffspeicher wie Hydride, bei denen Wasserstoff mit Druck gespeichert und wieder entnommen wird, und die sogenannten Liquid Organic Hydrogen Carriers (LOHCs), bei denen dieser chemisch in einer Flüssigkeit gebunden wird. Beide Verfahren sind bereist ausgereift. Wir möchten zudem feste Wasserstoffspeicher auf Eisenbasis entwickeln, die fast genauso viel Wasserstoff speichern können wie LOHCs. Der Wasserstoff ist in diesem Fall in Reaktionsfähigkeit gespeichert. Bei höheren Temperaturen kann man dann Wasser über das Eisen leiten, wodurch wiederum Eisenoxid und Wasserstoff entsteht. Man hat folglich ein System, bei dem man zwischen Wasserstoffspeicherung und Wasserstoffquelle hin- und herschalten kann. Diese Speicher sind sehr gut für dezentrale Anwendungen, wie zum Beispiel bei einer Heizung, die mit einer Brennstoffzelle betrieben wird, nutzbar.

Stichwort Energiewende: Welche Rolle spielt die Energieforschung an Universitäten beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft?

Eine Universität kann als Ganzes sehr viel leisten und auch die Uni Paderborn ist in diesem Bereich breit aufgestellt. Wir als Chemiker betreiben Grundlagenforschung. Wir wollen die molekularen Prozesse, die später angewendet werden, verstehen, entwickeln und mit diesem Verständnis auch verbessern. Dann kommen natürlich auch die Ingenieure ins Spiel, die schauen, welche Energiesektoren sich mit Wasserstoff versorgen lassen können, ohne dadurch Probleme zu erzeugen. Im Maschinenbau spielt der Wasserstoff – in welchem Umfang und in welchem Bereich auch immer er zukünftig sinnvoll eingesetzt werden kann – im Hinblick auf die neue Mobilität eine wichtige Rolle. Wäre es zum Beispiel möglich, dass ein Landwirt mit dem Windrad auf seinem Feld Strom und dann Wasserstoff erzeugt, diesen einspeichert und damit dann seinen Trecker betankt? Und schließlich kann man sich das Ganze auch soziologisch anschauen. Wie wirkt sich eine Veränderung im Mobilitätsverhalten auf den Wohlstand der Gesellschaft aus? Ich glaube daher, dass wir als Universität Paderborn mit unterschiedlichsten Perspektiven auf den Wasserstoff gucken können und gerade das das Spannende ist.

Noch ist die Herstellung von grünem Wasserstoff teuer. Wie optimistisch sind Sie, dass grüner Wasserstoff in Zukunft bezahlbar ist?

Viel hängt natürlich davon ab, wie man die Forschung fördert. Von der Erkenntnis bis zur Technologie ist es ein langer Weg. Wenn man die CO2 Ziele allerdings erreichen möchte, kommt man an Wasserstoff über kurz oder lang nicht vorbei. Wir werden zwar immer Wasserstoff importieren müssen, aber in dem Moment, in dem die technologische Verwendung sich wirtschaftlich rechnet, wird der Wasserstoff seinen Weg gehen.

Foto (Universität Paderborn, Besim Mazhiqi): Prof. Dr. Matthias Bauer.

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Prof. Dr. Matthias Bauer

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