Am Freitag, 26. April, hält Prof. Dr. Alessio Figalli den Festvortrag der diesjährigen Weierstraß-Vorlesung an der Universität Paderborn. Dem Mathematiker wurde 2018 die Fields-Medaille verliehen. Im Interview erklärt er, wofür er mit der Auszeichnung, die den gleichen Stellenwert wie der Nobelpreis hat, geehrt wurde, und was seine Forschung mit Wolken zu tun hat.
Herr Prof. Figalli, Sie wurden für Ihre Beiträge zur Theorie des optimalen Transports und deren Anwendung auf partielle Differentialgleichungen, metrische Geometrie und Wahrscheinlichkeit mit der Fields-Medaille ausgezeichnet. Können Sie – für Laien verständlich – erklären, um was es sich dabei handelt?
Figalli: Optimaler Transport ist ein sehr altes Thema, das bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht und sich ursprünglich mit dem Transport von Material von einem Ort zum anderen befasste. Im Laufe der Zeit entwickelte es sich weiter und wurde nach der Arbeit von Kantorowitsch in den 1940er Jahren in den Wirtschaftswissenschaften sehr wichtig, ab den 1980er Jahren wurde es auch in der Mathematik immer wichtiger. Im Laufe der Zeit haben wir verstanden, dass der optimale Transport eine sehr reichhaltige Theorie mit Verbindungen zu vielen anderen Bereichen der Mathematik ist. Diese Entdeckung wurde über die Jahre von mehreren Mathematikern gemacht und führte zu einer Vielzahl von Anwendungen, insbesondere in den Bereichen partielle Differentialgleichungen, Geometrie und Wahrscheinlichkeitsrechnung. Ich würde sagen, dass inzwischen zwar viele Ergebnisse von verschiedenen Mathematikern erzielt worden sind, aber auch, dass viele Fragen unbeantwortet geblieben sind. Ich habe meinen Beitrag zu einigen dieser Probleme geleistet und das war eine der Motivationen für die Verleihung der Fields-Medaille an mich.
Dabei haben Sie auch ein über 20 Jahre lang bestehendes Problem gelöst. Eines, das die sogenannte „Monge-Ampère-Gleichung“ betrifft. Sie findet heutzutage Anwendung in Bereichen wie der Stadtplanung, der Bildgebung oder der Meteorologie. Das sind alles sehr konkrete Beispiele aus dem Alltag. Wie wichtig ist es Ihnen, dass Ihre Forschung Bezug zur Praxis hat und nicht ausschließlich von theoretischem Nutzen ist?
Figalli: Mir gefällt die Tatsache, dass das Problem aus konkreten Anwendungen stammt und in konkreten Situationen angewendet werden kann, was meine Arbeit interessanter und spannender macht. Andererseits sollten wir uns auch bewusst sein, dass Mathematiker von der Schönheit des Problems und der mathematischen Herausforderung, die das Problem mit sich bringt, angetrieben werden, und das ist auch bei mir der Fall. Ich beschäftige mich mit Problemen, weil ich sie interessant finde, aber auch, weil sie mir einfach gefallen und ich den Spaß und die Herausforderung sehe, sie zu lösen, und das hat meine gesamte Forschung in diesen Jahren angetrieben.
Mathematik und Wolken – wie hängt das mit Ihrer Forschung zusammen?
In den 1990er Jahren entdeckte man, dass optimaler Transport mit Problemen der Meteorologie zusammenhängt. Diese Entdeckung wurde von Mike Cullen, einem Meteorologen aus Großbritannien, gemacht. Ich war von dieser Verbindung sehr fasziniert, als mein ehemaliger Doktorvater, Luigi Ambrosio, sie mir gegenüber erwähnte. Mike Cullen verstand die Verbindung zwischen optimalem Transport und Meteorologie, aber es fehlte noch an mathematischen Theorien, um diese Intuition zu nutzen und etwas Gründliches zu entwickeln. Es gab ein ganz klares Problem, das gelöst werden musste, und viele Leute versuchten es. Ich selbst habe es mehrere Jahre lang versucht und bin immer wieder gescheitert, bis ich nach etwa sieben Jahren der Anstrengung die richtige Idee hatte. Zusammen mit Guido De Philippis gelang es uns, die Lücke zu schließen und das Hauptproblem zu lösen, das notwendig war, um zu zeigen, wie man optimalen Transport zur Lösung von Gleichungen in der Meteorologie einsetzen kann.
Und zu guter Letzt: Sie blicken auf eine außergewöhnliche Karriere zurück, sind dabei mit Höchstgeschwindigkeit von Position zu Position aufgestiegen und haben zahlreiche akademische Ehrungen erhalten – Doktorat nach nur einem Jahr, mit 25 Jahren außerordentlicher, mit 27 Jahren ordentlicher Professor. Die Fields-Medaille ist wahrscheinlich der Höhepunkt Ihrer Karriere. Was soll da noch kommen, was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Es ist schwer zu sagen, was als nächstes kommt. Ich denke, dass ich während meiner gesamten Karriere versucht habe, nicht zu sehr darüber nachzudenken, was als Nächstes kommen würde, sondern eher darüber, was ich in der Gegenwart tun wollte. Ich versuche immer, über Probleme nachzudenken, die mich herausfordern und die mir Spaß machen, und ich habe normalerweise einen Zeithorizont von drei bis fünf Jahren. Und so geht meine Forschung auch jetzt noch weiter. In letzter Zeit habe ich mich mit einigen anderen Problemen beschäftigt, die ich wirklich gerne lösen würde. Ich weiß, dass es sie schon seit vielen Jahren gibt und neue Ideen benötigt werden. Diese Art von intellektueller Herausforderung ist es, die mich für meine Forschung motiviert. Ich forsche also, um neue Probleme zu lösen, die mich begeistern, und was immer dabei herauskommt, es ist großartig!