Neues Forschungsprojekt der Universität Paderborn nutzt lernende Algorithmen zur Regelung intelligenter leistungselektronischer Systeme
Moderne Industrie- und Informationsgesellschaften werden von leistungselektronischen Energiewandlern angetrieben, die elektrische Energie für verschiedene Anwendungen nutzbar machen. Beispiele sind Elektroantriebe in Fahrzeugen, Stromversorgungen von Serverfarmen oder auch die Integration von Windkraftanlagen und Photovoltaik-Kraftwerken in das Stromnetz. Aber: Die Leistungselektronik ist komplex. Ihre Anforderungen und Schaltungsdesigns variieren je nach Anwendung. Die Herausforderung besteht darin, diese Komplexität in den Griff zu bekommen, insbesondere bei der Regelung der Systeme. Bislang sind es die Expert*innen, die die Regelung manuell und individuell für jede Anwendung auslegen und programmieren müssen. Das ist aufwändig und wird angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels zu einem Problem. Wissenschaftler*innen der Universität Paderborn arbeiten deshalb an einem neuartigen Ansatz zur Regelung von leistungselektronischen Systemen mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI). Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 1,8 Millionen Euro geförderte „VIP+“-Vorhaben startet im Oktober. Bei dem Förderprogramm werden vielversprechende Forschungsergebnisse auf ihre Praxisfähigkeit und Umsetzbarkeit für eine spätere Anwendung hin validiert. Ziel ist es, diese Ergebnisse im Anschluss an die Förderung in Produkte, Prozesse und Dienstleistungen zu überführen.
„Die Regelung beinhaltet ein mathematisches Programm zum Betrieb der Leistungselektronik und die Implementierung der entsprechenden Regelungssoftware auf einer digitalen Plattform. Heutzutage werden hauptsächlich heuristische Ansätze verwendet. Diese sind zwar schnell und einfach ausgelegt, gehen aber mit Kompromissen bei der Leistungsfähigkeit einher, insbesondere bei der Energieeffizienz und dem dynamischen Verhalten. Optimale Regelungsverfahren könnten die Leistung theoretisch steigern, haben sich aber trotz intensiver Forschung in den letzten Jahrzehnten in der industriellen Praxis aufgrund des sehr hohen Umsetzungsaufwands nicht durchgesetzt“, erklärt Dr.-Ing Oliver Wallscheid, der das Vorhaben leitet. Das will das Team um den Ingenieur ändern.
In Vorarbeiten haben die beteiligten Wissenschaftler*innen bereits die grundsätzliche Machbarkeit einer vollautomatisierten und lernenden Regelungsarchitektur unter Laborbedingungen demonstriert. Sie reduziert den menschlichen Arbeitsaufwand massiv und erreicht gleichzeitig höchste Systemleistungen. Dieser erste Erfolg beruht auf einer Kombination von Methoden des datengetriebenen bestärkenden Lernens sowie modellprädiktiver Regelungsverfahren – und somit letztendlich aus einer Verschmelzung von künstlicher und menschlicher Intelligenz in einen Algorithmus. In der nun folgenden Validierungsphase überprüfen die Expert*innen den neuen Ansatz auf seine potentielle industrielle Verwertbarkeit. Konkret geht es um die Frage, ob die bisherigen Ergebnisse auf beliebige leistungselektronische Systeme übertragen werden können. Aspekte der funktionalen Sicherheit, Robustheit und erforderlichen Rechenressourcen der KI-basierten Regelungen werden ebenfalls untersucht. Die KI-basierten Regelungsverfahren könnten eine revolutionäre Veränderung in der Entwicklung und Inbetriebnahme von leistungselektronischen Systemen in zahlreichen Industriebranchen einleiten.