Christ­li­che Tra­di­ti­on als Res­sour­ce für ein gu­tes Le­ben

Prof. Dr. Jochen Schmidt zeigt, wie christlicher Glaube heute Orientierung geben kann

Welche Impulse kann der Glaube für die Persönlichkeitsentwicklung und das Gemeinwesen geben? Wie kann er bei der Bewältigung alltäglicher Herausforderungen des Menschseins helfen? Jochen Schmidt, neuer Professor für Evangelische Theologie mit dem Schwerpunkt Systematische Theologie und Ökumene an der Fakultät für Kulturwissenschaften, spürt in theologischen Texten dem Potenzial der christlichen Tradition für die Orientierung individuellen und gemeinschaftlichen Lebens in der Gegenwart nach.

Die Klage als Hilfsmittel in Krisen

In seiner Habilitationschrift hat Jochen Schmidt sich beispielsweise mit der Funktion der religiösen Praxis der Klage beschäftigt. Die sprachliche Artikulation von Leiden habe lindernde Wirkung und helfe bei der Überwindung existenzieller Krisenerfahrungen: „Die Klage ist in der Bibel etwa in den Psalmen sehr präsent. Sie ist eine Möglichkeit, mit Krisen produktiv umzugehen und sich weiterzuentwickeln, auch widerstandsfähiger zu werden.“

Jochen Schmidt bringt christliche Theologie nicht nur mit Erkenntnissen der Psychologie, sondern vor allem auch mit Diskursen aus der Philosophie und der literarischen Ästhetik zusammen. Im Fall der Klage interessiert den Wissenschaftler dabei besonders, was Sprache im Ausdrucksakt leisten kann: „Schweres Leid ist eine Stagnation, in der ein Mensch gefangen sein kann. Wenn er aber anfängt, den Schmerz in Worte zu kleiden, kann er Distanz zu ihm gewinnen – der Schrei ist distanzlos, Klage hingegen findet für das Erlittene Worte, die immer mehr Deutungen zulassen als das, was der Sprecher mit ihnen sagen will.“ 

Impulse für die Persönlichkeitsentwicklung

Aktuell konzentriert sich Jochen Schmidts Forschung auf  Tugenden und die Frage, wie diese für die heutige Gesellschaft fruchtbar gemacht werden können. „Der Begriff Tugend ist zwar sehr aus der Mode gekommen, weil er ideologische Besetzungen regelrecht anzuziehen scheint und oft mit manipulativen Absichten missbraucht wurde. Aber die Ideen der Tugendethik können uns weiterbringen: Die Kultivierung personaler Eigenschaften wie Offenheit und Aufrichtigkeit ist auch heute erstrebenswert.“ Auch Tugenden wie Liebe und Achtsamkeit sind zentrale Themen der christlichen Überlieferung, die für Jochen Schmidt nach wie vor impulsgebend für die Persönlichkeitsentwicklung sind.

Jochen Schmidt ist Mitglied des Zentrums für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften (ZeKK) der Uni Paderborn: „Es ist ausgesprochen glücklich, dass die drei in Paderborn vertretenen Theologien mit anderen Einrichtungen der kulturwissenschaftlichen Fakultät eng vernetzt sind und wir im ZeKK muslimische und christliche Ideen im Gespräch mit nicht-theologischen Disziplinen der Kulturwissenschaft diskutieren: Wir wollen einen gemeinsamen, konstruktiven Dialog über das Potenzial religiöser Glaubenseinstellungen in Anerkennung aller Verschiedenheit führen, so wie er für eine plurale Gesellschaft angemessen ist.“

Text: Frauke Döll

Prof. Dr. Jochen Schmidt/ Foto: Universität Paderborn, Frauke Döll

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