Heiße Debatten und stichhaltige Argumente: "Debating Society" erhält Alumni-Preis „Ausgezeichnetes Engagement" 2018
Wer denkt, bei der „Debating Society“ kann einfach munter drauf los diskutiert werden, liegt daneben. Die wöchentlichen Debatten unterliegen klaren Regeln. Am Schluss bewertet sogar eine Jury die Darbietung und kürt die Siegerin oder den Sieger. Bei manchen Diskussionen geht es aber schon mal hitziger und nicht ganz so geordnet zu. Und – ganz wichtig – der Spaß kommt nicht zu kurz.
Jeden Dienstag treffen sich die Mitglieder zur „Tuesday‘s Debate“ im Q-Gebäude. Dann debattieren sie zu Themen aus Politik, Religion und Gesellschaft. Die konkreten Fragestellungen – „Motions“ genannt – haben häufig einen aktuellen Bezug. So wie z. B. zur Fußballweltmeisterschaft 2018 mit einer Diskussion zum Thema, inwieweit sich Sportlerinnen und Sportler zu den verfassungsrechtlichen Werten eines Landes bekennen sollten. Zwei Debattierformate setzt der Paderborner Debattierclub um: Neben der „Offenen Parlamentarischen Debatte“ mit zwei Positionen gibt es die „British Parliament Debate“ – bestehend aus vier Parteien. Letztere ist oft ein „kunterbunter Haufen mit vielen Meinungen“, schmunzelt Vorstandsmitglied Hendrik Risse. Am Schluss beurteilt die Jury die jeweils siebenminütigen Reden: die stichhaltige und nachvollziehbare Präsentation der Argumente, die Körpersprache und Rhetorik sowie die Teamleistung. Übrigens: Es ist kein explizites Fachwissen für die Debatten erforderlich, denn ein „Fact Sheet“ hilft mit grundlegenden Informationen zum Thema. Der Rest kann auch mal improvisiert werden.
„Die Teilnahme bei der Debating Society“, so meint Vorsitzender Kevin Hufer, „macht sich nicht nur super im Lebenslauf. Die Mitglieder entwickeln sich und werden viel selbstsicherer.“ Das Studium sei generell eine gute Zeit, um auch an den Soft Skills zu arbeiten. Das gälte übrigens nicht nur für die Debating Society. Er wünscht sich, dass sich mehr Studierende in den Hochschulgruppen engagieren und nicht einfach das Studium durchziehen, „ohne nach rechts oder links zu gucken“. Darum veranstaltet der Debattierclub neben der wöchentlichen Debatte Talkrunden auf dem Campus wie den viel beachteten „Politischen Schlagabtausch zur Bundes- und Landtagswahl“ Anfang 2017 sowie Rhetorik- und Präsentationsseminare für die Mitglieder. Im kommenden Semester steht dann wieder eine größere Veranstaltung zum Thema „Europa und Jugend“ im Zuge der Europa-Wahl 2019 an.
Die Alumni Paderborn-Mitglieder sind sich einig: Die 2007 gegründete Debating Society hat den Preis, der mit einem Preisgeld von 1.000 Euro verbunden ist, verdient. Sie fördere die freie Rede, die Analysefähigkeiten, die demokratische Streitkultur und das politische Interesse. Diese seien äußerst wichtige Faktoren für eine funktionierende Gesellschaft. Auch Universitätspräsidentin Birgitt Riegraf ist von den Aktivitäten der Gruppe überzeugt: „Die Debating Society bietet die Möglichkeit der Wissenserweiterung, sie bietet aber vor allem einen Rahmen dafür, die Grundregeln der Demokratie einzuüben. Ich wünsche mir, dass viele unserer Studierenden die Möglichkeit nutzen und sich in der Debating Society – aber auch in anderen studentischen Organisationen – engagieren!“
Im folgenden Interview berichten aktuelle Vorstandsmitglieder der Debating Society, was ihnen das Engagement in der Debating Society bringt und in welchen Situationen eine Diskussion schon mal aus dem Ruder läuft.
- Kevin Hufer, Vorsitzender des Clubs, studiert Deutschsprachige Literatur und Germanistische Sprachwissenschaften, koordiniert die Aktivitäten der Gruppe.
- Hendrik Risse ist Master-Student im Fach Betriebswirtschaftslehre und für die inhaltliche Ausgestaltung der wöchentlichen Debatten verantwortlich.
3 Fragen an Team "Debating Society"
Verzweifeln eure Eltern und Freunde an euren Argumentationsfähigkeiten seit ihr euch für die Debating Society engagiert?
Hendrik Risse: [lacht] Das ist ein guter Punkt! Ich hab gemerkt, dass ich mit meiner Familie und meinen Freunden viel mehr über aktuelle politische und gesellschaftliche Themen rede. Man schafft seine eigene Diskussionskultur im privaten Umfeld und das kommt gut an.
Kevin Hufer: Ich bin viel mutiger geworden, meine Standpunkte in Diskussionen zu nennen. Man gewinnt auch mehr Routine, frei und flüssig zu sprechen. Am Anfang hatte ich echt Probleme, die sieben Minuten Redezeit zu füllen. Mittlerweile ist es schwer, die Redezeit einzuhalten. Ich hab auch gesehen, wie Mitglieder im Lauf der Zeit persönliche Hürden überwinden und erstaunliche Entwicklungen durchmachen.
Ist eine Debatte schon einmal eskaliert?
Kevin Hufer: Na klar! Es gibt Themen, bei denen man sich in Rage redet. Dann verlässt man auch mal das klassische Debattierformat, haut auf den Tisch und sagt „Das geht so nicht. Da muss man anders argumentieren!“ Ich erinnere mich konkret an folgende Situation: Eine Spaßdebatte zum Thema „Hillary Clinton sollte sich einen jungen ‘Praktikanten‘ suchen“ kippte und führte zu einer leidenschaftlich geführten Feminismus-Debatte. Gott sei Dank gibt es aber die Jury, die in solchen Momenten zur Ruhe aufruft.
Wie beurteilt ihr die Bedeutung einer guten Debattenkultur im Zeitalter von „Fake News“ und „Alternativen Fakten“?
Kevin Hufer: Die Mitglieder der Debating Society lernen etwas ganz Wichtiges: Sie nennen nicht einfach nur Argumente, sondern argumentieren schlüssig und stichhaltig. Donald Trump macht das nicht. Er formuliert seine politischen Botschaften oft in 140 Zeichen auf Twitter. Davon müssen wir wegkommen, da das die Gesellschaft immer weiter spaltet. Bei uns respektieren sich die Mitglieder – auch wenn sie unterschiedlicher Meinung sind. Das Ziel ist immer, den Andersdenkenden argumentativ zu überzeugen.
Hendrik Risse: In unseren Debatten können die Teilnehmer nicht subjektiv-emotionale Meinungen präsentieren. Viel wichtiger ist, die wesentlichen Argumente zu identifizieren und gut durchdacht zu präsentieren. Man denkt, das sei einfach – gerade das ist aber unfassbar schwer.
Wir bekommen in den Debatten ja die Rollen zugelost. Es kann also sein, dass wir eine Position verteidigen müssen, deren Anhänger wir nicht sind. Daher ist es interessant, Perspektiven zu durchleuchten und zu schauen, was es auf der anderen Seite für Argumente gibt. Ich erlebe in Diskussionsrunden auch immer mal wieder einen Aha-Effekt und merke, dass an der gegnerischen Argumentation durchaus etwas dran ist. Diese vielfältige Meinungsbildung ist wichtig.