Strategisches Lügen kann Akteuren in manchen Zuordnungs- und Auswahlverfahren dabei helfen, ihr gewünschtes Ergebnis zu erzielen. Die beiden Wirtschaftswissenschaftlerinnen Dr. Britta Hoyer und Dr. Nadja Stroh-Maraun haben untersucht, inwieweit Paderborner Studierende diese Strategie beim Vergabeverfahren von Abschlussarbeiten der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften nutzen, um einen Platz bei einer bevorzugten Professur zu erhalten. Ihre Untersuchung zeigt: Studierende wissen die Anreize dieser Strategie durchaus zu erkennen. Für ihre Arbeit erhielten Hoyer und Stroh-Maraun nun den „Dean’s Young Scholar Research Award“ der Fakultät.
Beim derzeitigen Vergabeverfahren an der Fakultät reichen Studierende Vorschläge für ihre Abschlussarbeiten ein, die anschließend in einem zentral gesteuerten Prozess auf die verfügbaren Professuren verteilt werden. Im Gegensatz zu anderen bekannten Matchingmechanismen ist dieses Verfahren nicht „strategy-proof“. Das heißt: Studierende erhalten auf diese Weise Anreize, sich strategisch zu verhalten und zu lügen, um das eigene Ergebnis zu verbessern, also einer bevorzugten Professur zugewiesen zu werden. Für ihre Untersuchung, die als Forschungsbeitrag im Mai in der internationalen Fachzeitschrift „Games and Economic Behavior“ erschienen ist, nutzten Hoyer und Stroh-Maraun Daten aus dem Vergabeverfahren an der Fakultät sowie aus einer Umfrage unter den teilnehmenden Studierenden. Sie untersuchten die erhobenen Daten empirisch vor allem unter zwei Aspekten: Zum einen gingen sie der Frage nach, ob Studierende die strategischen Anreize erkennen und nutzen. Zum anderen haben die Studierenden keine vollständigen Informationen. Strategisches Verhalten muss also nicht immer zum gewünschten Ergebnis führen.
Studierende erkennen Anreize
In ihrer Studie zeigten Hoyer und Stroh-Maraun, dass Studierende die Anreize durchaus erkennen und versuchen, darauf zu reagieren. So gaben fast drei Viertel der Studierenden falsche Präferenzen an. Trotzdem schafften sie es häufig nicht, auch die angestrebte Situation damit herbeizuführen. Die Autorinnen konstatieren: „Dies liegt zum einen an der unvollständigen Information, zum anderen aber auch an sogenannter Naivität der Studierenden. Naive Studierende – im Gegensatz zu sophistizierten Studierenden – handeln nicht konsistent zur gegebenen Information. Sie schaffen es also nicht, die ‚richtigen‘ falschen Präferenzen anzugeben oder auch die wahren Präferenzen, wenn dies unter der gegebenen Information die beste Strategie ist. Stattdessen nutzen sophistizierte Studierende diese Naivität aus, um ihr eigenes Ergebnis zu verbessern. Die Ergebnisse sind eindeutig und über verschiedene Testmethoden und Datensätze aus verschiedenen Semestern hinweg robust.“
Studie liefert neue Erkenntnisse
Prof. Dr. Hendrik Schmitz, Prodekan, über die Untersuchung: „Bisherige Forschungsarbeiten, die sich mit dem beobachteten Verhalten von Akteuren in Matchingmärkten beschäftigen, sind selten, und die wenigen existierenden vernachlässigten bislang solche Verfahren. Die konsequente Unterscheidung von naivem Verhalten und der Tatsache, dass ein Akteur falsche Präferenzen angibt, ist ein neuer Aspekt, der in der Literatur bislang nicht untersucht wurde. Mit ihrer Analyse fügen die beiden Forscherinnen ein starkes Argument für den Gebrauch von Mechanismen, die keine Anreize zu lügen bieten, zur wissenschaftlichen Diskussion hinzu.“ Darüber hinaus hebt Schmitz den Stellenwert der Studie durch ihre Veröffentlichung im Fachjournal hervor: „Das renommierte Journal „Games and Economic Behavior“ ist die führende Zeitschrift im Bereich der Spieltheorie. Allgemein im Bereich der theoretischen Mikroökonomie wird das Journal als eines der besten angesehen und ist in den bekannten ökonomischen Rankings regelmäßig auf einem der vorderen Plätze zu finden. Viele etablierte Professoren und Professorinnen in Deutschland, die in diesem Bereich arbeiten, können auf keine oder eine Veröffentlichung in dieser Zeitschrift verweisen. Dass den beiden Autorinnen diese Publikation schon in so jungen akademischen Jahren gelungen ist, ist daher eine außergewöhnliche Leistung. Hervorzuheben ist darüber hinaus, dass es sich um eine lehrstuhlübergreifende Zusammenarbeit handelt, die die beiden Autorinnen komplett eigenständig durchgeführt haben. Die Veröffentlichung trägt zudem ganz erheblich zur nationalen und internationalen Sichtbarkeit unserer Fakultät in der Spitzenforschung zur Spieltheorie bei.“
Ebenso sollen die Ergebnisse der Untersuchung auch fakultätsintern Verwendung finden, wie Dekanin Prof. Dr. Caren Sureth-Sloane betont: „Die Erkenntnisse der Studie von Britta Hoyer und Nadja Stroh-Maraun sind vor allem auch für unsere Fakultät von besonderem Interesse, da die Autorinnen als Grundlage ihrer Analyse Daten aus dem Vergabeverfahren für Abschlussarbeiten an unserer Fakultät verwenden. Somit sind die Ergebnisse nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht von großem Interesse, sondern liefern auch Implikationen für die zukünftige Ausgestaltung unseres Verfahrens.“
Ihre Forschungsarbeit mit dem Titel „Matching Strategies of Heterogeneous Agents under Incomplete Information in a University Clearinghouse“ ist im Journal unter folgendem Link zu finden: https://doi.org/10.1016/j.geb.2020.03.006