Soweit es das Infektionsgeschehen zulässt, sollen Schulen möglichst schnell zum Regelbetrieb zurückkehren. Dieses Ziel hat sich die Kultusministerkonferenz (KMK) gesetzt. Um Expertise bezüglich der Planung und Gestaltung des kommenden Schuljahres zu bündeln, hat sie am Donnerstag, 18. Juni, vier Bildungswissenschaftler*innen per Videokonferenz in die 370. Sitzung der KMK eingeladen. Unter den eingeladenen Expert*innen ist auch Prof. Dr. Birgit Eickelmann, Professorin für Schulpädagogik an der Universität Paderborn. Die Wissenschaftlerin schlägt auf der Grundlage ihrer Forschungsarbeiten Kriterien für die weitere Gestaltung von Schule unter Corona-Bedingungen vor. Diese sollen es Schulen u. a. ermöglichen, in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen flexibel auf verschiedene Szenarien zu reagieren und die Potenziale digitaler Möglichkeiten bestmöglich so zu nutzen, dass alle Schüler*innen immer erreicht und in ihren Lernprozessen begleitet werden. Wichtig ist, so Eickelmann, dass keine weitere Lernzeit verloren ginge.
Flexible Szenarien und pädagogische Konzepte in Schulen
„Grundsätzlich sollte das kommende Schuljahr unter den Bedingungen dreier möglicher Szenarien konzipiert werden: Präsenzunterricht als Regelfall, eine Kombination aus Präsenz- und Fernunterricht sowie Fernunterricht als Regelfall. Dabei ist das Schuljahr so zu planen, dass in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen möglichst reibungslose Wechsel zwischen den Szenarien vollzogen werden können“, so der Vorschlag von Eickelmann. Eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung gegründete Expertenkommission, zu der die Paderborner Wissenschaftlerin gehört, hatte diese drei Szenarien erst kürzlich in ihren Empfehlungen für die Gestaltung des neuen Schuljahres in der Pandemie-Zeit skizziert. „Wichtig wäre, dass das bevorzugte Szenario den Schulen rechtzeitig vorher mitgeteilt wird, um sich bezüglich der Schulorganisation und Hygienemaßnahmen entsprechend vorbereiten zu können. Ein früh vorgelegtes Konzept hätte den Vorteil, dass Schulen Unterstützungsbedarfe rechtzeitig erkennen und anschließend nachbessern können“, betont Eickelmann.
Digitalisierung systematisch fördern
Die Möglichkeiten digitaler Technologien gilt es in allen drei denkbaren Szenarien schülerorientiert zu nutzen. „Die Gestaltung von Schule in der bisherigen Pandemie-Zeit hat brennglasartig die weiterhin großen Entwicklungsbedarfe in der Digitalisierung im schulischen Bildungsbereich nochmals aufgezeigt“, gibt Eickelmann, die für Deutschland die internationale Studie ICILS leitet, zu bedenken. Zudem sei während der Pandemie die große Bandbreite der digitalisierungsbezogenen Entwicklungsstände der Schulen erneut sehr deutlich geworden: „In einer von uns im April durchgeführten Studie gaben nur ein Drittel der Lehrkräfte in Deutschland an, dass ihre Schule unmittelbar vor der Zeit der Schulschließung in der Digitalisierung weiter fortgeschritten war. An Grundschulen lag dieser Anteil in der Studie ‚Schule auf Distanz‘ sogar bei weniger als einem Fünftel.“
Um diese Rückstände aufzuholen, spricht sich Eickelmann für eine systematisch-konzeptionelle bundesländerübergreifende sowie länderspezifische Vorplanung aus. Diese bestehe aus einer Bereitstellung entsprechender schulischer IT-Infrastrukturen und digitaler Lerninhalte vor Beginn des Schuljahres, genauso wie aus unmittelbar wirksamen und einschlägigen Professionalisierungskonzepten für Lehrkräfte. „Da auch die Studierenden in den Praxisphasen von der neuen Schulsituation betroffen sind, wäre über den Sommer auch zu klären, wo sich Handlungsbedarfe in der Lehrkräfteausbildung an den Universitäten ergeben und wie wir als Universität den Schul- und Fortbildungsbereich unterstützen können“, so Eickelmann mit Blick auf den Paderborner Kontext.