Grön­land plant den Ver­kauf von Schmelz­was­ser – Ein­schät­zung von Um­wel­this­to­ri­ke­rin An­ja Wes­ter­mann

Grönlands Eisschild schmilzt deutlich schneller als erwartet. Das haben Wissenschaftler in einer Ende 2019 veröffentlichten Studie festgestellt. Als Reaktion auf den damit verbundenen Klimawandel möchte das Land nun sein Schmelzwasser an Unternehmen verkaufen. Laut Energieminister Jess Svane soll damit auch ein Beitrag gegen die Wasserknappheit auf der Welt geleistet werden. Anja Westermann, Wissenschaftlerin am Historischen Institut der Universität Paderborn, sieht darin sowohl Bedenken als auch eine Chance.

„Zunächst ist zu beachten, dass derzeit erst wenige Details bekannt sind. So ist zum Beispiel unklar, wie diese Lizenzen zur Wassergewinnung von Grönland verteilt werden und wie die Unternehmen damit agieren wollen. Auch über mögliche Transportwege ist noch nichts bekannt“, gibt Westermann zu bedenken. Nichtsdestotrotz weist die auf Umweltgeschichte spezialisierte Historikerin darauf hin, dass ungenutztes Wasser ins Meer abfließt und in diesem Zuge versalzt. Darüber hinaus sei es weit verbreitet, dass Länder mit ihren natürlichen Ressourcen handeln – in diesem Fall mit Schmelzwasser. Ob damit jedoch die Wasserknappheit in ärmeren Regionen angegangen werden kann, bleibt laut Westermann fraglich: „Wenn Grönland oder die jeweiligen Unternehmen das Schmelzwasser zu einem ‚marktfähigen Produkt‘ machen, ist klar, mit welchem Rest der Welt sie ihr Wasser teilen werden, und zwar mit dem zahlungsfähigen.“

In ihrem letzten Weltwasserbericht haben die Vereinten Nationen vor einer zunehmenden Wasserknappheit gewarnt. „Mehr als zwei Milliarden Menschen haben keinen verlässlichen Zugang zu Trinkwasser. Der weltweite Wasserbedarf wird voraussichtlich auch noch weiter ansteigen. Aufgrund von Faktoren wie dem Bevölkerungswachstum, wird bis 2050 eine Zunahme von nochmal 20 bis 30 Prozent prognostiziert“, so die Historikerin. Wenngleich die Sinnhaftigkeit von Grönlands Ansatz aufgrund von fehlenden Details noch nicht abschließend beurteilt werden kann, sieht Westermann in dieser Debatte eine Chance, um Wasser einen höheren Wert zu geben: „Wasser wird insbesondere in Industrienationen, wo es jederzeit sauber und trinkbar aus dem Hahn kommt, als zu selbstverständlich wahrgenommen, obwohl es eine der wichtigsten natürlichen Ressourcen ist, zugleich aber nur im begrenzten Umfang zur Verfügung steht.“

Foto (Universität Paderborn, Simon Ratmann): Anja Westermann, Wissenschaftlerin am Historischen Institut.

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