Zwi­schen Traum und Trau­ma: Prof. Dr. Rib­bat und Prof. Dr. Dr. Reins­ber­ger zum Su­per Bowl

Am Sonntag, 3. Februar, blickt die Sportwelt nach Atlanta. Dort findet in diesem Jahr der 53. Super Bowl statt. Im American Football ist das der große Saison-Höhepunkt. Etliche waghalsige Zusammenstöße, zwei spielentscheidende Quarterbacks und eine pompöse Halbzeit-Show: Der Kampf um die begehrte Vincent Lombardy Trophy ist ein Spektakel, bei dem die Zuschauer ganz auf ihre Kosten kommen sollen. Wie hoch der kulturelle sowie gesellschaftliche Wert von Football in den USA ist und welchen gesundheitlichen Risiken sich die Sportler aussetzen, erklären Amerikanist Prof. Dr. Christoph Ribbat und Sportmediziner Prof. Dr. Dr. Claus Reinsberger von der Universität Paderborn.

Im Spätherbst beginnt die reguläre NFL-Saison. „Dann ist Football-Zeit“, sagt Christoph Ribbat, Professor am Institut für Anglistik und Amerikanistik, und ergänzt: „Neben Basketball und Baseball ist Football als Sport eine der drei Hauptreligionen der Amerikaner. Wenn sich an Thanksgiving Familien versammeln, dann ist in der Regel auch der Fernseher eingeschaltet und es läuft Football. Es hat schon eine andere Bedeutung als Basketball oder Baseball.“ Auf einem 100 Yards langen Spielfeld, das einer Länge von etwa 91 Metern entspricht, haben beide Kontrahenten vier Versuche, um mindestens 10 Yards in die Hälfte des Gegners vorzudringen und idealerweise in der sogenannten „Endzone“ zu punkten. Dazu Ribbat: „Der Football an sich hat durchaus einen militärischen Charakter. Es gibt da diesen Quarterback, der das Spiel bestimmt und sozusagen mit seinen „Soldaten“ Raum erobert“. Diese disziplinierte und strategische Herangehensweise sei es auch, warum der Sport gerade bei vielen konservativen Amerikanern gut ankommt: „Football ist der Sport des konservativen Amerikas, also das, was man als „Trump-Country“ bezeichnet, etwa der Mittlere Westen und die Südstaaten“.

Troublemaker im Trump-Country

In den letzten Jahren sah sich der Football in den USA allerdings zunehmender Kritik ausgesetzt. So hatte sich im August 2016 Colin Kaepernick, ehemaliger Quarterback bei den San Francisco 49ers, aus Protest gegen Rassismus geweigert, im Rahmen eines Spiels für die Nationalhymne aufzustehen. Zahlreiche Football-Spieler schlossen sich dem im weiteren Verlauf an. Ein Protest, der vor allem innerhalb der Vereinigten Staaten gespaltene Reaktionen hervorrief, wenngleich dieser seine Berechtigung hatte, so der Amerikanist: „Als Kaepernick sich geweigert hat, bei der Hymne aufzustehen bzw. stattdessen in die Knie gegangen ist, fühlten sich die konservativen Amerikaner so, als wenn ihnen diese Leidenschaft nun auch noch genommen werde. Deswegen waren die Reaktionen darauf auch so intensiv. Kaepernick gilt seitdem als „Troublemaker“, obwohl das, wogegen er protestiert hat natürlich legitim ist. Der Rassismus ist im US-Sport und in der amerikanischen Gesellschaft nicht von der Hand zu weisen und der Protest kam zu einer Zeit, als immer wieder unschuldige Afroamerikaner zu Opfern von Polizeigewalt wurden.“ Auch, weil es sehr viele afroamerikanische Athleten in den USA gebe, so Ribbat weiter, sei es lediglich eine Frage der Zeit gewesen, bis sie das Forum dafür nutzen, um ihrem Widerstand Ausdruck zu verleihen.

Schule, Sport und Selbstverständnis

Die Bedeutung des Footballs sei zu groß, um über derartige Entwicklungen hinwegschauen zu können. Schon früh nehme Sport im US-amerikanischen Bildungssystem eine bedeutende Rolle ein, wie der Paderborner Wissenschaftler erklärt: „Es gibt einen großen Unterschied zu Ländern wie Deutschland bei der Frage, welches Selbstverständnis Schulen und Universitäten von sich haben. Wenn etwa die Universität Paderborn mit derselben Größe und Bedeutung in den USA liegen würde, dann stünde hier auf dem Campus ein Football-Stadion, das 70.000 Zuschauer fasst. Es wäre selbstverständlich, dass zu jedem Football-Spiel der Universität alle möglichen Leute aus dem Umland kommen, um die Spieler anzufeuern.“ Ein Grund dafür sei laut Ribbat, dass die Menschen in Amerika sehr viel Stolz mit ihrer Universität verbinden und als einen wichtigen Knotenpunkt von Identität wahrnehmen, zu dem dann auch das Football-Team gehöre.

Gesundheitliche Risiken und Spätfolgen

„Das Ganze hat auch seine Schattenseiten, weil es 17- bis 21-jährige Jungs sind, die bejubelt und verheizt werden und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen“, gibt Ribbat zu bedenken. Prof. Dr. Dr. Claus Reinsberger vom Sportmedizinischen Institut an der Universität Paderborn leitet zurzeit eine dreijährige Studie, die die Auswirkungen von Kopfbällen auf die Gehirne von Fußballspielern untersucht, und weiß: „Das Risiko, eine Gehirnerschütterung zu erleiden, ist natürlich insbesondere im Rahmen von Kontakt- und Kollisionssportarten beachtlich“. Akute Gehirnerschütterungen seien im American Football häufig auftretende Verletzungen, die z. B. durch spieltypische Tacklings entstehen, so der Neurologe. Laut Reinsberger sei es wie in jeder anderen Sportart wichtig, Anzeichen für eine Gehirnerschütterung schon auf dem Spielfeld zu erkennen, selbst wenn Symptome teilweise zeitversetzt auftreten. „Im Zweifel sollten die Sportler zunächst aus dem Spiel genommen, genauer untersucht und beobachtet werden, da ein Weiterspielen unter Umständen lebensgefährlich sein kann“, so Reinsberger. Der Wissenschaftler verweist in diesem Zusammenhang auf Fälle von zum Teil früh verstorbenen Football-Spielern, deren Gehirne ausgeprägte Veränderungen aufweisen. Dazu zählen Schrumpfung, Entzündungen und Proteinablagerungen, wie sie bei Demenzerkrankungen auftreten. Reinsberger: „Diese als chronisch traumatische Enzephalopathie (CTE) bezeichnete Krankheit lässt sich bislang lediglich nach dem Tod diagnostizieren. Die weitere aktive Erforschung der klinischen Eigenschaften und Risikofaktoren wird allerdings derzeit weltweit vorangetrieben.“

Stabsstelle Presse und Kommunikation, Kamil Glabica

Foto (Universität Paderborn, Kamil Glabica): Prof. Dr. Christoph Ribbat, Institut für Anglistik und Amerikanistik.
Foto (Universität Paderborn, Simon Ratmann): Prof. Dr. Dr. Claus Reinsberger, Sportmedizinisches Institut.

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