Die Neugestaltung von Lernprozessen (Projekt NeGeL) steht seit über fünf Jahren im Fokus der Kooperation zwischen impulsgebenden Bildungsexperten der Universität Paderborn, den Förderern Reinhard Mohn Stiftung und Unfallkassen NRW sowie drei experimentierfreudigen ostwestfälischen Berufskollegs. Zum Projektende ziehen die Beteiligten Bilanz.
Nach einer kurzen Einführung von Prof. Dr. Peter F. E. Sloane, Professor für Wirtschafts- und Sozialpädagogik an der Universität Paderborn, der mit den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Karin Meier, Desiree Daniel, Franziska Schwabl und Simone Volgmann die Entwicklung der Berufskollegs begleitet, gibt Anja Rittinghaus, stellvertretende Schulleiterin am Bünder Erich Gutenberg Berufskolleg, einen Überblick zur Entwicklung der pädagogischen und organisatorischen Konzepte am Berufskolleg.
Erich Gutenberg Berufskolleg, Bünde
Wie auch in den anderen beiden Berufskollegs steht in Bünde das "Selbstorganisierte Lernen" im Vordergrund. Selbstorganisiertes Lernen erfordert neues Denken: Ein Lernatelier gibt Unterstützung durch aufgabendefinierten Raum. Für das kombinierte Lernen in Einzelarbeit, Gruppenaustausch und Unterrichtsphasen steht ein eigens dafür umgebautes Stockwerk zur Verfügung. Mit dem Teilprojekt "Wilde Kerle" widmet man sich besonders jener perspektivlos erscheinenden Klientel von Jugendlichen, die mit schwierigen Lebenssituationen zu kämpfen haben. Propagiert wird der konstruktive Umgang mit Störungen und Regelverweigerungen. Für das Lehrerkollegium gilt im Rahmen der Konzepte zur Förderung der Lehrergesundheit die Devise: "Gesund und munter durch den Schulalltag!" Anja Rittinghaus nennt folgende Features, die jetzt das Schulleben beeinflussen: Visualisierungstraining, Einführung eines Schülerlogbuchs, Praktikumsbegleitung, Digitalisierung, Finanzkompetenz (z. B. Schuldnerberatung), "Babybedenkzeit", Süchte (vom Glücksspiel bis zum Drogenmissbrauch) und pädagogische Tage für Lehrer, die sich mit besonders belasteten Schülern beschäftigen. Praxisnähe, das laufende Tagesgeschäft, Lehrerressourcen und die Einrichtung internationaler Förderklassen stellen sich in der Gesamtschau dabei als besondere Herausforderungen dar. Die Bünder Schulleiterin Afra Gongoll nimmt aus dem Projekt Folgendes mit: "Mit NeGeL sichern wir unsere fortschreitende Schulentwicklung, unsere zunehmende personelle Kompetenz und einen besseren, kontrollierteren Übergang ins Ausbildungssystem. Offene Posten für uns sind derzeit noch die steigende Heterogenität an unserer Schule, die weitere Förderung der Berufsfähigkeit und die sprachsensible Gestaltung der Unterrichtseinheiten."
Lüttfeld Berufskolleg des Kreises Lippe
Mit Schulleiter Manfred Kreisel und Abteilungsleiterin Toni Nürmberger-Ergünoglu bilanzieren zwei Pädagogen ihre Erfolge, die sie mit NeGeL und dem ebenfalls von den Paderborner Wirtschaftspädagogen stammenden Projekt "QBi" (Qualifizierungsbausteine inklusiv in einer dualisierten Ausbildungsvorbereitung) errungen haben. Drei Ziele stehen im Lemgoer Lüttfeld Berufskolleg mit NeGeL im Vordergrund: Selbstorganisiertes Lernen, inklusive Schulkultur und Lehrergesundheit. Toni Nürmberger-Ergünoglu nennt die Herausforderungen: "Durch unsere Ausbildungsbreite haben wir es mit vielen Playern zu tun. Fünf Abteilungen arbeiten autonom. Im Zentrum steht dabei immer ein Fachbereich, an den alle Bildungsgänge angedockt werden. Zum Bespiel wurden mit tatkräftiger Unterstützung von Karin Meier Gesundheitsworkshops durchgeführt, die u. a. folgende Umsetzungserfolge verzeichnen können: Ruheraum, kollegiale Fallberatung, ein externes Supervisionsangebot, eine ‚bewegte Pause’ mit Außensportgerät, Kollegensport und Brain Gym."
Nach den Erfahrungen von Nürmberger-Ergünoglu wird nicht nur die bewegte Pause von den 130 Kolleginnen und Kollegen sehr gut angenommen, sondern auch Fortbildungsveranstaltungen: "Wir haben so viele Talente im Kollegium, die nur geweckt werden müssen, unsere Gesundheitsangebote sind dabei eine wertvolle Hilfe." Die Liste der in die Praxis eingeflossenen Maßnahmen kann sich laut dem Schulleiter sehen lassen: "Es gibt regelmäßige pädagogische Workshops für die einzelnen Bildungsgänge. In Wochenend-Workshops erarbeiten wir mit Hilfe von NeGeL in aller Ruhe Lernsituationen. Selbstreguliertes Lernen, das wir beständig fortentwickeln, begleitet uns dabei in Theorie und Praxis. Und wir nutzen bewusst das Pfund unserer Werkstätten, denn damit heben wir uns von den allgemeinbildenden Schulen ab und untermauern unsere Daseinsberechtigung."
Reinhard-Mohn-Berufskolleg, Gütersloh
Auch Dietmar Flegel vom Reinhard-Mohn-Berufskolleg weiß viel von neuen Entwicklungen infolge von NeGeL zu berichten. Der Bildungsgangleiter nennt es "unser Lernzeithaus": Alle Klassen auf einem Flur, Schließfächer und Eigentumsfächer in den Klassenzimmern für problemfreie Privatheit, flexible Klassenräume durch Anschaffung von Dreiecktischen, Lehrer-AGs und Personaleinsatz nach dem Freiwilligkeitsprinzip, Regelkatalog für alle und Durchführung des Paderborner Lerntableaus zur Einschätzung der Selbstregulationsfähigkeit von SchülerInnen, Klassenteamsitzungen, Lernzeitaufgaben, jeden Montag ein Kick-off zur Lernzeitplanung. Wochenplaner, Reflexionsbogen und ein Lehrerlogbuch geben dabei Orientierung über das ganze Schuljahr hinweg. Flegel: "Mit dem Lernzeithaus haben wir ein gutes Konzept realisiert. Das hätten wir so ohne das NeGeL-Projekt der Paderborner Wirtschaftspädagogen nicht hinbekommen."
In der abschließenden Bewertung zeigt sich Projektmanager Rüdiger Bockhorst von der Reinhard Mohn Stiftung sehr angetan von den Ergebnissen, die man gemeinsam erzielt habe: "Wir haben anderthalb Jahre konzipiert, dann vier Jahre umgesetzt – erstaunlich, was in dieser Zeit passiert ist und was alles in die Praxis überführt wurde. Das war spannend und hat mit dem heutigen Tag ein sehr gutes Ende gefunden." Prof. Dr. Peter F. E. Sloanes Abschiedswort galt dem gesamten Projekt-Team: "Ich möchte Ihre aller Leistung besonders hervorheben und Ihnen ein großes Dankeschön sagen."