Das studentische Programmkino Lichtblick widmet sich in seinem aktuellen Filmprogramm mit dem Titel „Hereinspaziert! Zwischen Freaks und Hochglanz“ dem Zirkus, dessen anhaltende Faszinationskraft aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden soll. Dabei wird es nicht um Wagenrennen im antiken Rom gehen, sondern um den modernen Zirkus, welcher im späten 18. Jahrhundert, von artistischen Reiterdarbietungen in England ausgehend, zunächst nach Frankreich und schließlich auch nach Deutschland fand. Insbesondere in seiner Frühphase lässt sich der Zirkus noch kaum von anderen Attraktionen wie Wandermenagerien, Freakshows und Pantomime-Darstellungen – als Ursprung der heute so ikonischen Zirkusclowns – abgrenzen, die neben ihrer eigenständigen Form immer wieder in größere Zirkusprogramme integriert wurden. In diesem Verständnis der frühen Vielfalt wurde am vergangenen Montag mit David Lynchs „The Elephant Man“ (1980) bereits ein Blick auf die objektivierende Zurschaustellung körperlich deformierter ‚Freaks‘ geworfen. Im weiteren Verlauf wird das Programm den Zirkus als allegorische Reflexionsfläche, als Ort atemberaubenden Spektakels sowie als Schauplatz verschiedenster persönlicher Konflikte und Tragödien zeigen.
Die Filme laufen jeweils montags im Paderborner Pollux by Cineplex, terminabhängig um 20.30 oder 21 Uhr. Eine Ausnahme bildet der Termin am 19. Dezember, an dem im Filmraum der Universität zwei 16mm-Stummfilme gezeigt werden.
Als nächsten Film wird es am Montag, 20. November, Alexander Kluges „Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos“ (1968) zu sehen geben, einen der ambitioniertesten und konzeptionell radikalsten Essayfilme aus dem Umfeld des ‚Neuen deutschen Films‘. Als erster deutscher Film der Nachkriegszeit wurde er bei den Filmfestspielen in Venedig mit dem „Goldenen Löwen“ ausgezeichnet. Die angebliche Ratlosigkeit der Artisten entwickelte sich schon bald zum geflügelten Wort.
Der Film folgt den Bemühungen der jungen Zirkusdirektorin Leni Peickert (Hannelore Hoger), nach dem tödlichen Sturz ihres Vaters bei einer artistischen Darbietung einen neuartigen ‚Reformzirkus‘ zu etablieren.
Kluge kombiniert dabei dokumentarische Aufnahmen mit Spielfilmelementen, die unterschiedlichste historische wie zeitaktuelle Entwicklungen der deutschen Geschichte assoziativ verknüpfen. So finden u. a. die Auseinandersetzung mit der Aufarbeitung des NS-Zeit, mit Theodor W. Adornos im Entstehen begriffener „Ästhetischen Theorie“ sowie mit der studentischen Protestbewegung ihren Fluchtpunkt in der Frage nach der Rolle der Kunst, nach ihren praktischen Potentialen und Hindernissen.
Ein Film, der nicht berieseln oder belehren, sondern den Zuschauer im zwanglosen Spiel der Gedanken zum Dialog auffordern möchte. Gezeigt wird eine 35mm-Kopie aus dem Archivbestand des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt.
Das gesamte Programm und weitere Infos zu Lichtblick auf
.„Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos“ (Alexander Kluge, 1968)
Montag, 20. November 2017
20:30 Uhr
Pollux