Erik Flügge und Bernhard Spielberg diskutieren auf Einladung der Katholischen Hochschulgemeinde über die Sprache der Kirche. 170 Zuhörer im Forum St. Liborius hören provokante Thesen und erleben eine lebhafte Diskussion.
Der Titel war bewusst provokant gewählt, doch das Thema scheint tatsächlich viele Menschen zu beschäftigen: 170 Zuhörer besuchten die Podiumsdiskussion „Verreckt die Kirche an ihrer Sprache?“, zu der die Katholische Hochschulgemeinde (KHG) und das Pauluskolleg eingeladen hatten. Das Publikum bestand zu großen Teilen aus jungen Leuten, es fanden sich aber auch etliche Priester, kirchliche Mitarbeiterinnen und Hochschuldozenten im überfüllten Forum St. Liborius ein. Für Nils Petrat kam das nicht überraschend. Der Studentenpfarrer hat eine „doppelte Sprachbarriere“ innerhalb der Kirche ausgemacht. Er höre in Gesprächen immer wieder, wie schwer es manchen Menschen falle, über ihren Glauben zu sprechen. Wenn dann darüber gesprochen werde – gerade auch von Kirchenleuten –, hätten wiederum viele das Gefühl: „Man versteht es einfach nicht.“
Genau in diese Kerbe schlug der junge Mann, dem der Abend seinen Namen verdankte: Erik Flügge (30), im Hauptberuf Politik- und Strategieberater, ist Autor des Buches „Der Jargon der Betroffenheit“, mit dem er ganz offenbar einen Nerv getroffen hat. Seit dem Erscheinen im Mai ist das Buch mit dem provokanten Untertitel schon in der 5. Auflage gedruckt. Sich selbst beschreibt der ehemalige Messdiener als „Mensch, der mit der Kirche hadert, aber nicht bricht“. Gerade deshalb erhofft er sich durch sein Buch „neue Kommunikationsformen der Kirche“.
Dafür setzt er ganz bewusst und offen auf „Spaltung und Provokation“. Und so illustrierte er seine Kritik an der Sprache der Kirche spontan anhand des konkreten Versammlungsortes, dem Forum St. Liborius. „In dem drückt sich alles aus, worum es mir geht.“ Ihm sei zuvor von diesem modernen „spannenden Raum“ erzählt worden. Das kirchliche Gemeindezentrum sei ein ohne Zweifel faszinierendes architektonisches Werk – doch dann sei ein Theologe ans Werk gegangen und habe ihn eingerichtet. „Und jetzt sieht das aus wie die Kita Pusteblume“, so Flügge trocken. Das stehe auch für viele Texte und Ansprachen in der Kirche, kritisierte der Autor die „völlige Religionspädagogisierung und Theoretisierung des Glaubens“. Damit verliere die Kirche eine ganze Menge Menschen.
Was Flügge sonst noch stört: Dass in der Kirche ständig „im Kreis debattiert“ werde (da seien die Protestanten aber noch schlimmer als die Katholiken) sowie die „fatale Unterlegenheit“ gegenüber außenstehenden Akteuren, wenn es um spannende Wortbeiträge gehe. Das Problem sei, dass gute Redner bewusst Spannungsbögen, Vereinfachungen und Inszenierungen einsetzten, dies von Theologen aber nicht genutzt werde.
Bernhard Spielberg, Professor für Pastoraltheologie an der Universität Freiburg, wurde zu Beginn eigentlich als Flügges Gegenspieler vorgestellt, entpuppte sich aber schnell als Mitspieler. Denn es wurde deutlich, dass er die Kritik seines zehn Jahre jüngeren Gesprächspartners durchaus teilte, wenn auch in sanftere Sprache gepackt. Für ihn sei gute Theologie so, „dass man sie sagen kann“. Die Frage sei aber, wie und wo der kirchliche Nachwuchs das lerne. Als abschreckendes Beispiel nannte er die ersten Predigten junger Studenten: „Die sprechen dann nicht so, wie sie sind, sondern wie sie meinen sein zu müssen.“ Sie seien durch die Schule der Imitation gegangen – das mache sich bemerkbar am Kleidungsstil, der Körperhaltung und den Floskeln der Religionsstudenten. So redeten plötzlich 20-Jährige von „unserer schnelllebigen Zeit“ und nutzten einen für ihre Generation untypischen Duktus. Spielberg forderte deshalb auch an den Universitäten „mehr Irritation“.
An das Gespräch schloss sich eine engagierte Diskussion mit dem Publikum an. „Die Sprache der Kirche muss wirklich völlig revolutioniert werden“, stimmte ein vielfältig engagierter Katholik aus Paderborn zu. Ein Vikar des Bistums wünschte sich Erik Flügge als „qualifizierten Spiegel“ in seinen Teamgesprächen und im Gottesdienst. Ein Student fragte ganz konkret, wie der Spagat der Sprache gelingen könne. „Streichen Sie Anbiederungen, die sind hochnotpeinlich“, riet Flügge: „Gehen Sie Ihren Weg konsequent.“ Spielberg empfahl ganz einfach: „Erzählen Sie in Ihren Predigten eine Geschichte.“
Text und Fotos: Birger Berbüsse