In­te­gra­ti­on Ge­flüch­te­ter durch Me­di­en­päd­ago­gik för­dern – GMK stellt Er­geb­nis­se ih­rer Mit­glie­der­be­fra­gung für Me­di­en­pro­jek­te vor

Integrationsprozesse, so die einhellige Meinung der Befragten, können durch Medien gestärkt werden und damit den Spracherwerb sowie die politische und kulturelle Bildung unterstützen. Themen der Alltags- und Konsumkultur sowie ethische und religiöse Aspekte können mit Hilfe von Smartphones, Apps und Laptops mit und durch die Betroffenen diskutiert und Geflüchtete in ihrer Selbständigkeit gefördert werden. Medienkompetenz muss gerade im Hinblick auf die Nutzung des Internets gestärkt werden, um Geflüchtete zu befähigen, die demokratischen Potenziale zu nutzen und (mit)gestalten zu können.

Um den Prozess der Integration wirkungsvoll voranzubringen, sind sofort und in den kommenden Jahren umfangreiche Förderinitiativen notwendig, um die vorhandenen Strukturen so auszubauen und zu vernetzen, dass Geflüchtete effektiv unterstützt werden können.

Mobile Medien nehmen im Alltag von Flüchtlingen wichtige Organisationsfunktionen ein. In zahlreichen Fernsehberichten ist zu sehen, wie Flüchtlinge mit ihren Smartphones Kontakt zu Landsleuten und ihrer Familie suchen oder Bilder und Informationen austauschen. Digitale Medien sind insofern für Flüchtlinge bzw. Geflüchtete als Identitäts-, Erinnerungs- und Kommunikationswerkzeuge unentbehrlich. Zudem bieten Medien eine stabilisierende Funktion: Sie begleiten die Flüchtlinge bei ihrem Ankommen im Aufnahmeland und bieten ihnen erste Orientierung. Diverse Hilfestellungen, etwa Übersetzungs-Apps oder Navigationssysteme, erleichtern zudem das Zurechtfinden in der neuen Umgebung.

Gleichzeitig weisen neueste Studien darauf hin, dass ein kompetenter Umgang mit digitalen Medien keineswegs selbstverständlich ist. So zeigt die Untersuchung von Kutscher und Kreß (2015) zum Medienumgang von unbegleiteten jungen Flüchtlingen, dass kaum Kenntnisse über Datenschutz oder nicht-kommerzielle Unterstützungsangebote vorhanden sind.

Als medienpädagogischer Dach- und Fachverband hat die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) in Kooperation mit der Universität Paderborn ihre über 1000 Mitglieder zu medienpädagogischen Aktivitäten mit Geflüchteten befragt und künftige Bedarfe ermittelt. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die medienpädagogische Arbeit mit Geflüchteten bisher noch am Anfang steht. Zugleich gibt es einige Projekte, die zeigen, wie sich medienpädagogische Praxis in der Zusammenarbeit mit Flüchtlingen gestalten kann: Zumeist geht es um medienpraktisch angelegte Aktivitäten (71 %) – etwa fotografische Stadteilerkundungen oder selbstproduzierte Erklärfilme (Tutorials). Zielgruppe sind vorwiegend Jugendliche (75 %) und Kinder (47 %). Dagegen werden Erwachsene (17 %) oder gemischte Altersgruppen (31 %) bislang weniger angesprochen. Thematisch geht es überwiegend um Aspekte des Selbstwertgefühls (73 %), um Partizipation (61 %), Sprachförderung (59 %) oder auch um integrationsbezogene Medienarbeit (57 %). Viele Angebote sind in die interkulturellen Angebote der Einrichtungen integriert und werden teils von Ehrenamtlichen unterstützt. Den Einschätzungen der Befragten zufolge erfordert ein solches Engagement jedoch hohe Kompetenzen bei den Helfenden, so dass die Angebote zumeist in pädagogischen Einrichtungen und von Fachkräften angeboten werden. Insofern sind die Einrichtungen auf finanzielle Unterstützung angewiesen, da die Arbeit nur eingeschränkt mit dem vorhandenen Personal zu realisieren ist.

Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der medienpädagogischen Einrichtungen sind eine hohe Bereitschaft und ein kreatives Potenzial vorhanden, die Arbeit mit Flüchtlingen zu unterstützen. Die Angebote reichen von Informationen rund um das Thema Flucht (Bundeszentrale für politische Bildung) über ein Refugee Radio (ALEX Berlin), Kino für Flüchtlinge (Gallus Zentrum Frankfurt), visuelle Medienprojekte zur Alltagsorientierung (GMK-M-Team), Filme zum Thema Flucht und Interkulturalität (Medienprojekt Wuppertal) bis hin zu einem Blog von Flüchtlingen für Flüchtlinge (medien+bildung.com).

Die Mitglieder der GMK sehen aufgrund der Erfahrungen in diesen innovativen ersten Vorhaben einen hohen Bedarf, Medienarbeit mit Flüchtlingen und damit die interkulturelle Arbeit insgesamt zu stärken. Um die Alltagsbewältigung von Flüchtlingen zu unterstützen und Möglichkeiten des Medienkompetenzerwerbs zu eröffnen, sind koordinierte, weitreichende und nachhaltige Maßnahmen dringend notwendig. Die GMK-Mitglieder wünschen sich insbesondere finanzielle Förderungen und gezielte Förderprogramme, um medienpädagogische Arbeit mit Flüchtlingen besser umsetzen zu können, neben sprachlicher Unterstützung durch Muttersprachler oder Dolmetscher.

Darüber hinaus schlagen wir folgende Maßnahmen vor:

  • Bereits vorhandene Aktivitäten sind zu bündeln und sichtbar zu machen, damit andere aus den Good-Practice-Beispielen lernen können.
  • Multiplikator/-innen sollten medienpädagogisch und interkulturell geschult werden, damit medienpädagogische Aktivitäten in die Breite getragen werden können. Das beginnt bei der Fortbildung von Erzieherinnen und Erziehern, reicht über die Fortbildung von Lehrkräften bis hin zu Sozialarbeiter/-innen und Therapeut/-innen.
  • Um die Sprachprobleme zu reduzieren, wäre es u. a. hilfreich, Flüchtlinge, beispielsweise im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres, in die medienpädagogische Arbeit mit Geflüchteten einzubeziehen.

Die GMK bietet vor diesem Hintergrund ihre Expertise für die Medienarbeit mit Geflüchteten an. Die Anfänge sind gemacht, es kommt nun darauf an, die Chancen zu nutzen.
 

Kontakt: Prof. Dr. Dorothee M. Meister, Universität Paderborn und Vorsitzende der GMK, Institut für Medienwissenschaften, Tel.: 05251/60-3723, E-Mail: dm@uni-paderborn.de

Foto (Universität Paderborn): Prof. Dr. Dorothee M. Meister.
Foto (Universität Paderborn): Prof. Dr. Dorothee M. Meister.