Am 14.9.2015 hatte das Fach Philosophie Prof. Dr. Karen Green (Melbourne University, Australien) zu Gast für einen Workshop zum Thema „Early Modern Women Philosophers and the Arising of the Self-Determined Individual“. Professor Green ist eine der international führenden Spezialistinnen für Philosophinnen in der Entwicklung der politischen Philosophie des 17. und 18. Jahrhundert. Zu ihren Veröffentlichungen gehören A History of Women’s Political Thought, 1700-1800 (Cambridge University Press, 2014) und (gemeinsam mit Jacqueline Broad) A History of Women’s Political Thought in Europe, 1400-1700 (Cambridge University Press, 2009).
In ihrem Vortrag sprach Professor Green über die Rolle der Geschichtsschreibung Catherine Macaulays (1731-1791) für die Entwicklung des politischen Denkens von Mary Wollstonecraft (1759-1797). Wollstonecraft ist bekannt für ihre Pionierrolle in der Verteidigung der Rechte der Frauen. Professor Greens Vortrag stützte sich auf umfangreiches, noch unveröffentlichtes Archivmaterial, um deutlich zu machen, wie Macaulays Darstellung des englischen Interregnums zu einem engen intellektuellen Austausch zwischen Macaulay und republikanischen Staatsdenkern in England und den englischen Kolonien geführt hat. Wie Professor Green argumentiert, ist dies der Kontext vor dem auch Wollstonecrafts Vorstellung des Individuums als Träger/in unveräußerlicher Rechte verstanden werden kann.
Der Vortrag von Prof. Green wurde begleitet durch Vorträge von PD Dr. Andreas Blank (Paderborn) und Prof. Dr. Ruth Hagengruber (Paderborn). In seinem Vortrag ging Dr. Blank auf die Verbindung zwischen Achtung und Selbstachtung in den moralischen Essays von Madame de Lambert (1647-1733) ein. Was Lamberts Überlegungen besonders interessant macht ist ihre Strategie, eine Konzeption berechtigter Achtung und Selbst-Achtung mit Überlegungen zum Problem des Alterns zu verbinden. Wie sie argumentiert, ist ein Rückzug von der zu großen Abhängigkeit von der Achtung anderer notwendig, um naturrechtliche Pflichten zu erfüllen, die auch in höherem Alter zu berechtigter Selbstachtung führen können.
Prof. Hagengruber ging in ihrem Vortrag auf den von früheren Interpreten erhobenen Vorwurf ein, dass Madame du Châtelet (1706-1749) eine konformistische, klassenbezogene Ethik vertreten hat. Obwohl sich diese Interpretation auf einige Passagen aus Châtelets Reflexionen über das Glück stützen können, wies Prof. Hagengruber darauf hin, dass Châtelets Ethik vor dem Hintergrund ihrer Naturphilosophie verstanden werden sollte. Vor diesem Hintergrund lässt sich Châtelets Auffassung, dass Glück einen gewissen Konformismus mit den gesellschaftlichen Normen voraussetzt, als eine Folge der Einsicht verstehen, dass sich im Konformismus ein stabiler Zustand abbildet. Allerdings sei Konventionalismus und Relativismus nur soweit akzeptabel und auch als gesellschaftliche Vorschrift anzuerkennen, solange diese nicht der Übereinstimmung von moralischen Normen und Gesetzen der Natur widerspricht. Die Prüfung dieser Übereinstimmung erfolgt durch die Überprüfung der moralischen Hypothesen unter dem Aspekt der widerspruchsfreien Argumentation.
Andreas Blank