Das Junge Kolleg der nordrhein-westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste nimmt fünfzehn neue Mitglieder auf. Die offizielle Aufnahme erfolgt in Anwesenheit von Wissenschaftsministerin Svenja Schulze am 18. Januar im Rahmen des Neujahrskonzerts der Akademie.
Das Junge Kolleg der nordrhein-westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste hat fünfzehn neue Mitglieder. Für die jungen Spitzenwissenschaftlerinnen und Spitzenwissenschaftler ist die Berufung in die Nachwuchsschmiede der Akademie eine hohe Auszeichnung. Seit der Gründung des Kollegs im Jahr 2007 sind insgesamt 50 Kollegiaten berufen worden. Die Resonanz auf die Ausschreibung war groß, so Akademiepräsident Professor Dr. Dr. Hanns Hatt: "Über 100 hochkarätige Bewerbungen sprechen dafür, dass sich das Kolleg für die Spitze des wissenschaftlichen Nachwuchses in NRW als ein wichtiges Sprungbrett für eine Professur etabliert hat." Bislang haben 18 der 35 aufgenommenen Kollegiaten der ersten drei Jahrgänge des Jungen Kollegs den Ruf auf eine Professur angenommen.
Wissenschaftsministerin Svenja Schulze freut sich, dass sich das Kolleg in so kurzer Zeit als wichtiger Baustein zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in NRW etabliert hat. "Die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind das Rückgrat der Forschung. Im Jungen Kolleg NRW haben die besten von ihnen die einmalige Chance, ihre Forschungshypothesen zu großen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen interdisziplinär zu diskutieren und in den akademischen Dialog mit den etablierten Wissenschaftsgrößen der Akademie zu treten," so die Ministerin weiter.
Auch Dr. Bernhard Lorentz, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stiftung Mercator, gratuliert den 15 neuen Mitgliedern des Kollegs: "Die Stiftung Mercator stellt ihnen nicht nur Mittel für eine rasche Umsetzung individueller Forschungsideen zur Verfügung. Wir verfolgen durch unser Engagement im Jungen Kolleg das Ziel, ein Forum zu bieten für die Verständigung über Fachgrenzen hinweg.", so Lorentz. Die Stiftung Mercator fördert das Junge Kolleg in einem Zeitraum von sieben Jahren mit rund drei Millionen Euro.
Zu Mitgliedern des Jungen Kollegs wurden gewählt:
1. Jun.-Prof. Karen Veroy-Grepl, Ph.D. - Jg. 1975, Fakultät für Bauingenieurwesen; RWTH Aachen
2. Jun.-Prof. Dr. Julia Becker - Jg. 1979, Fakultät für Physik und Astronomie; Ruhr-Universität Bochum
3. Dr. Simon Ebbinghaus - Jg. 1980, Fakultät für Chemie und Biochemie; Ruhr-Universität Bochum
4. Dr. Nils C. Gerhardt - Jg. 1975, Fakultät für Elektro- und Informationstechnik; Ruhr-Universität Bochum
5. Dr. Rüdiger Graf - Jg. 1975, Fakultät für Geschichtswissenschaft; Ruhr-Universität Bochum
6. Dr. Florian Leese - Jg. 1978, Fakultät für Biologie; Ruhr-Universität Bochum
7. Dr. Thomas Riesenweber - Jg. 1975, Abteilung für Griechische u. Lateinische Philologie; Universität Bonn
8. Jun.-Prof. Dr. Philipp Sasse - Jg. 1977, Medizinische Fakultät, Institut für Physiologie I; Universität Bonn
9. Dr. Sonja Herres-Pawlis - Jg. 1979, Fakultät Chemie, Anorganische Chemie; TU Dortmund
10. Dr. Stefan Raunser - Jg. 1976, Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie, Dortmund
11. Dr. Daniel Wegner - Jg. 1975, Physikalisches Institut & CeNTech; WWU Münster
12. Jun.-Prof. Dr. Regina Grundmann, Jg. 1978 Centrum für Religiöse Studien; WWU Münster
13. Dr. David P. Schweikard, Jg. 1976 Philosophisches Seminar, WWU Münster
14. Dr. Dominik Höink, Jg. 1981, Exzellenzcluster "Religion und Politik"; WWU Münster
15. Jun.-Prof. Dr. Sina Ober-Blöbaum, Jg. 1980, Fakultät f. Elektrotechnik, Informatik, Mathematik; Universität Paderborn
Informationen zu "Das Junge Kolleg":
Das Kolleg wird von der Stiftung Mercator gefördert. Es handelt sich um eines der größten Förderprogramme einer privaten Stiftung zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Nordrhein-Westfalen. Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler sollen fachlich, finanziell und ideell unterstützt werden. Die Mitglieder erhalten bis zu vier Jahre lang ein jährliches Stipendium in Höhe von 10.000 Euro sowie eine intensive fachliche Begleitung. Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Jungen Kolleg sind zusätzlich zur Promotion herausragende wissenschaftliche Leistungen an einer Hochschule oder Forschungseinrichtung in Nordrhein-Westfalen. Die neuen Mitglieder dürfen bei Ihrer Aufnahme in das Kolleg nicht älter als 36 Jahre sein und noch keine unbefristete Hochschullehrerstelle innehaben.
Robert Kekez
Referent Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste
Düsseldorf
Tel.: 0211 61734-34
robert.kekez@awk.nrw.de
Informationen zu Jun.-Prof. Dr. Sina Ober-Blöbaum:
Jun.-Prof. Dr. Sina Ober-Blöbaum
Jahrgang 1980
Universität Paderborn
Fakultät für Elektrotechnik, Informatik und Mathematik
Institut für Mathematik
Warburger Straße 100
33098 Paderborn
E-Mail: sinaob@math.uni-paderborn.de
Internet: http://www2.math.uni-paderborn.de/people/sinaob.html
All exact science is dominated by the idea of approximation.
Bertrand Russell (1872-1970)
Sina Ober-Blöbaum ist Junior-Professorin für Simulation und Optimalsteuerung dynamischer Systeme in der Mathematik der Universität Paderborn. Sie studierte Technomathematik (Diplom 2005) in Paderborn, wo sie anschließend promoviert hat (Promotion 2008). Ihre Dissertation behandelt die Entwicklung numerischer Optimalsteuerungsmethoden. Nach der Promotion folgte ein einjähriger Forschungsaufenthalt als Postdoktorandin am California Institute of Technology im Bereich „Control and Dynamical Systems”. Dort arbeitete sie unter anderem an Optimalsteuerungsprobleme für Mehrkörpersysteme und dem Design von Raumfahrttrajektorien.
Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Entwicklung effizienter numerischer Verfahren zur strukturerhaltenden Simulation und Optimalsteuerung dynamischer Systeme. In interdisziplinärer Kooperation werden die entwickelten Verfahren auf mechanische Problemstellungen, insbesondere aus dem Bereich der Mehrkörperdynamik in Robotik und Biomechanik, aber auch auf Probleme in der Astrodynamik angewendet. Seit 2009 ist sie Teilprojektleiterin im Sonderforschungsbereich 614 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) „Selbstoptimierende Systeme des Maschinenbaus” der Universität Paderborn. Innerhalb des SFB werden die Verfahren für die Optimierung mechatronischer Systeme weiterentwickelt und angewendet.
Ausgewählte Publikationen:
- S. Ober-Blöbaum, O. Junge, J. E. Marsden: Discrete mechanics and optimal control: an analysis. ESAIM: Control, Optimisation and Calculus of Variations, 2010, DOI:10.1051/cocv/2010012.
- M. Dellnitz, S. Ober-Blöbaum, M. Post, O. Schütze, B. Thiere: A multiobjective approach to the design of low thrust space trajectories using optimal control. Celestial Mechanics and Dynamical Astronomy, 105(1), S. 33-59, 2009.
- S. Leyendecker, S. Ober-Blöbaum, J. E. Marsden, M. Ortiz: Discrete mechanics and optimal control for constrained systems. Optimal Control, Applications and Methods, 2009, DOI: 10.1002/oca.912.
Forschungsgebiet: Simulation und Optimalsteuerung dynamischer Systeme (Angewandte Mathematik)
Die optimale Steuerung physikalischer Prozesse ist in allen modernen technologischen Wissenschaften von Bedeutung. Das Ziel ist es, die Bewegung eines dynamischen Systems so zu bestimmen, dass ein bestimmtes Optimalitätskriterium erreicht wird. Zur numerischen Behandlung sind daher zuverlässige und effiziente Simulationstechniken unverzichtbar. Mein Forschungsschwerpunkt liegt in der Entwicklung effizienter numerischer Verfahren zur approximativen Lösung solcher Optimalsteuerungsprobleme und zur Simulation dynamischer Systeme. Ein zentraler Punkt ist dabei die Strukturerhaltung, d. h. fundamentale physikalische Eigenschaften des realen Systems sollen korrekt wiedergegeben werden. Sowohl theoretische Aspekte wie Approximationsgenauigkeit und Konvergenzresultate als auch Fragestellungen bezüglich rechnerischer Effizienz werden behandelt. In interdisziplinärer Kooperation werden die entwickelten Verfahren auf mechanische und mechatronische Systeme, im Besonderen auf Mehrkörperprobleme in der Robotik und Biomechanik, aber auch auf Probleme in der Astrodynamik angewendet. Typische Szenarien sind beispielsweise die Bestimmung zeitoptimaler Wege in der Fahrzeugdynamik, energieeffizienter Trajektorien von Raumfahrtmissionen oder optimaler menschlicher Bewegungsabläufe.
Strukturerhaltende Simulation
Simulationsverfahren sollen die Bewegung eines dynamischen Systems möglichst realistisch wiedergeben. Bei der Verwendung strukturerhaltender Integratoren zur Simulation mechanischer Systeme werden bestimmte Eigenschaften des realen Systems an die numerische Lösung weitergegeben. Dabei handelt es sich beispielsweise um Energieerhaltung oder Erhaltung von Impulsabbildungen aufgrund von Symmetrien im System (z. B. Drehimpulserhaltung bei Rotationssymmetrien). Eine spezielle Klasse von strukturerhaltenden Integratoren sind Variationsintegratoren, welche auf der Basis diskreter variationeller Mechanik hergeleitet werden. Unter Verwendung dieses Konzepts werden die Variationsintegratoren zum einem in Hinblick auf die effiziente Simulation von Systemen mit unterschiedlichen Zeitskalen untersucht und weiter entwickelt und zum anderen zur Anwendung für neue Systemklassen wie elektrische Schaltungen erweitert.
Numerische Verfahren zur Optimalsteuerung
Das Ziel der Optimalsteuerung ist es, die Bewegung eines dynamischen Systems nicht nur vorherzusagen, sondern auf eine Weise zu steuern, sodass ein bestimmtes Optimalitätskriterium (wie z. B. minimaler Steuerungs- oder Zeitaufwand) erreicht wird. Sollen nicht nur eines, sondern mehrere Optimalitätskriterien zur gleichen Zeit erfullt werden, so handelt es sich um ein Mehrziel-Optimalsteuerungsproblem. Zur Approximation der optimalen Lösung werden wiederum strukturerhaltende Integrationsverfahren verwendet, sodass strukturelle Eigenschaften des Systems in der numerischen Lösung nicht verloren gehen. Neben Strukturerhaltung spielt auch die Strukturausnutzung eine wichtige Rolle für die Effizienz der Optimalsteuerungsmethoden: Standardverfahren liefern lediglich lokale Lösungen, d. h. ausgehend von einer Anfangsschätzung wird eine lokal optimale Lösung in der Nähe dieser Schätzung gefunden. Wiederum ist die Bestimmung der globalen optimalen Lösung mit sehr hohem Rechenaufwand verbunden. Das Ziel ist es daher, eine approximative globale Optimallösung zu berechnen, welche als Anfangsschätzung für ein lokales Verfahren verwendet werden kann. Zur Bestimmung einer solchen Anfangsschätzung wird die Struktur des zugrundeliegenden dynamischen Systems ausgenutzt. Mit einer vorangehenden Systemanalyse werden besonders energieeffiziente oder einfach zu beschreibende Bewegungen identifiziert. Diese können dann auf verschiedene Weisen zur Approximation der globalen Optimallösung kombiniert werden. Anwendungen finden sich in der Bestimmung von Raumfahrttrajektorien sowie in der Optimalsteuerung mechatronischer und mechanischer Systeme wie z. B. komplexer Robotersysteme.