Mit unbewussten Handlungsstrukturen, so genannten „Automatismen“, beschäftigen sich Wissenschaftler verschiedener Disziplinen am 4. und 5. Februar in der Universität Paderborn: Die interdisziplinäre Konferenz „Unsichtbare Hände“ soll das komplexe Wechselspiel von Menschen und Technologien beleuchten. Die Tagung ist öffentlich, Gäste sind herzlich willkommen.
Der Moralphilosoph Adam Smith habe im 18. Jahrhundert die zeitgenössische Ökonomie durch das Konzept der „Unsichtbaren Hand“ erklärt, so die Veranstalter der Tagung. Dieses beschreibe das Phänomen, dass Handlungen unbeabsichtigte, nicht kalkulierbare Wirkungen hätten. Aktuelle gesellschaftliche Phänomene wie Social Networks, Flashmobs oder Ad Hoc Netze, die nicht von einer zentralen Instanz gesteuert werden, geben aus Sicht der Veranstalter Anlass zu einer wissenschaftlichen Betrachtung. „Selbst die Finanzkrise resultiert aus der verteilten Aktivität Vieler, die unabhängig voneinander handeln“, erklärt Irina Kaldrack vom Graduiertenkolleg „Automatismen“ der Fakultät für Kulturwissenschaften.
Für die Aktualität des Forschungsfeldes spreche auch Frank Schirrmachers viel beachtetes Buch „Payback“, das ebenfalls solche Automatismen behandle. Aus seiner Perspektive bewirkten diese eine Umbildung der menschlichen Hirne und kognitiven Leistungen analog zur Arbeitsweise von Computern.
Auf dem Programm stehen am 4. und 5. Februar Vorträge im Rahmen von Medien-, Technik- und Diskursgeschichte sowie die Präsentation verschiedener sozialwissenschaftlicher Studien. So referiert etwa der Kulturwissenschaftler Christoph Neubert aus Köln über das Verhältnis von Menschen und Technologien, das an Unkontrollierbarkeit zu gewinnen scheint.
Am ersten Abend wird das Filmprogramm „Automatische Körper“ die Vorträge ergänzen. Kurzfilme aus verschiedenen Jahrzehnten machen Automatismen in unterschiedlichen Perspektiven erlebbar: Automatische Gesten ruinieren eine Ehe, Dinge geraten wie von selbst in Bewegung, Reflex und Lust gehen handgreifliche Verbindungen ein, die Trennung zwischen Mensch und Maschine wird schmerzhaft aufgehoben.
Näheres zum Programm und zu den Veranstaltungsorten im Internet unter: www.upb.de/instituteeinrichtungen/gk-automatismen/
Unsichtbare Hände. Automatismen in Medien-, Technik- und Diskursgeschichte – Interdisziplinäre Konferenz des Graduiertenkollegs „Automatismen“
Universität Paderborn
Do 4.2., 10.00, E2.339: Gebäudeteil E, 2. Stock, Raum 339
Fr 5.2., 9.30, E2.339: Gebäudeteil E, 2. Stock, Raum 339
Filmprogramm „Automatische Körper“: Do 4.2., 20.00, E2.122,
Gebäudeteil E, 2. Stock, Raum 122
Eintritt frei
Programm
Donnerstag, 4.2.2010
10.00
Panel 1
Begriffe: Automatismen, unsichtbare Hand, Ökonomie
10.15
Harun Maye: Die unsichtbare Hand. Zur Geschichte einer populären Metapher
11.30
Dominik Schrage: Was meint „Standardisierung durch Konsum“? Technische und soziale Prozesslogiken am Beispiel der Entstehung des Massenkonsums in den USA
12.15
Jens Schröter: Das automatische Subjekt. Ein umstrittener Begriff bei Karl Marx und seine medienwissenschaftlichen Anschlüsse
14.30
Panel 2
Selbststeuerung und Selbstreflexivität
14.45
Jutta Weber: Die kontrollierte Simulation der Unkontrollierbarkeit. Kontroll- und Wissensformen in der Technowissenschaftskultur
16.00
Christoph Neubert: Autonome Objekte. Zu Theorie und Geschichte der Selbststeuerung in der modernen Logistik
16.45
Robert Dennhardt und Peter Koval: Geschichten von Electronic Design Automation (EDA)
20.00
Kurzfilmprogramm
Automatische Körper
Freitag, 5.2.2010
9.30
Panel 3
Körper: Wiederholung und Automatismen
9.45
Matthias Wittmann: Orlac’s Hände. Von Wiederholungszwängen, Automatismen und ‚prothetischen Traumata’ in Robert Wienes (un-)heimlichem Heimkehrerfilm
10.30
Joy Kristin Kalu: Die Automatisierung des Schauspiels: Wieder-Holungsprozesse in aktuellen Inszenierungen der Wooster Group
11.45
Panel 4
Aushandlung
12.00
Martina Leeker: Daten tanzen. Automatismen in der Begegnung von Kognitionswissenschaften und Tanz (Wayne McGregor)
14.15
Andreas Wolfsteiner: "Daß Instrumentum oder Werckzeug/ welches alle andern macht" (Boillot, 1603). Die historische Hand des Denkens ist nicht die ‚invisible Hand’ der Handelsökonomie
15.00
Wolfgang Coy: Tastende Fortschritte hinter dem Rücken der Produzenten