Neueste Erkenntnisse zu Fürstbischöfen als Doppelspitze geistlicher Staaten erschienen
Die Erforschung der alten Reichskirche („Germania Sacra“) habe seit einigen Jahren Konjunktur in der Geschichtswissenschaft, so Historiker der Universität Paderborn. Rund um das Säkularisationsjubiläum von 2003 und die Großveranstaltungen zum Reichsuntergang von 1806 seien zahlreiche Studien zu einzelnen geistlichen Fürstentümern des Reiches oder Detailproblemen geistlicher Staatlichkeit entstanden. Dr. Michael Ströhmer vom Historischen Institut der Universität Paderborn: „Angesichts dieser Entwicklung ist es erstaunlich, dass die Männer an der Spitze dieser Staaten, die geistlichen Fürsten, nicht die gleiche Aufmerksamkeit erfahren haben wie die Gemeinwesen, denen sie vorstanden. An diesem Punkt setzt ein neuer Sammelband an.“
In dieser aktuellen Publikation „Geistliche Fürsten und Geistliche Staaten in der Spätphase des Alten Reiches“ gehe es, so die Herausgeber, u. a. darum, folgende Frage zu beantworten: „Wie haben die Fürstbischöfe ihre Doppelrolle als geistlicher Oberhirte und weltlicher Fürst verstanden? Stellte dieses Doppelamt nur eine Belastung mit unvereinbaren Anforderungen dar, wie schon manche Zeitgenossen glaubten und die Forschung lange Zeit unbesehen annahm? Oder barg das Doppelamt nicht auch manche Chancen und eröffnete den geistlichen Würdenträgern politische Optionen, die ihre weltlichen Vettern nicht nutzen konnten?“
Diese zentralen Fragen wurden in einem systematischen wie vergleichenden Zugriff anlässlich des sechzigsten Geburtstages von Prof. Dr. Frank Göttmann von Experten auf einer Tagung in Paderborn vom 5.-7.10.2006 eingehend diskutiert. Die Herausgeber des nun erschienenen Buches, PD Dr. Bettina Braun (Mainz), Dr. Mareike Menne (Stuttgart) und Dr. Michael Ströhmer (Paderborn), hatten seinerzeit das Symposion zu Ehren ihres akademischen Lehrers organisiert und freuen sich, dessen Ergebnisse nun der Öffentlichkeit vorzulegen.
Die einzelnen Beiträge führen erstmals die verschiedenen Bistumslandschaften der Germania Sacra zusammen. Die bisher geographisch stark fragmentierten Erkenntnisse zur Rolle des Fürstbischofs etwa als Reichsfürst und Landesherr, als Mitglied eines adeligen Familienverbandes oder sein Handlungsspielraum gegenüber der römischen Kurie werden aus den einzelnen Reichsbistümern an Rhein und Main, in Bayern oder Nordwestdeutschland gebündelt. Ziel dieser ersten überregionalen Bilanz ist es, der Forschung aus einer globalen Perspektive neue Impulse zum Phänomen „geistlicher“ Staatlichkeit in Alteuropa geben zu können.
Die Veröffentlichung: BRAUN, Bettina/ MENNE, Mareike/ STRÖHMER, Michael (Hg.): Geistliche Fürsten und Geistliche Staaten in der Spätphase des Alten Reiches, Epfendorf/ Neckar 2008, bibliotheca academica Verlag, ISBN 978-3-928471-72-5, Ladenpreis 39,- €.