Dr. Dr. Sebastian Schuchmann, Neurowissenschaftler an der Berliner Charité, berichtete im Hörsaal C2 der Universität auf Einladung von Prof. Dr. Bardo Herzig, Erziehungswissenschaftliches Institut der Universität Paderborn, über Aufbau und Funktionen des Gehirns. Schuchmann: „Das Rätselhafte des Gehirns beschäftigt die Menschen schon seit Jahrhunderten.“
Dabei gibt es aus seiner Sicht als Neurowissenschaftler für viele Funktionen des Gehirns klare und belegbare Erklärungen: Ein Gehirn besteht aus 10 Milliarden Nervenzellen. Diese haben Konzentrationsdifferenzen zwischen innen und außen, die verantwortlich sind für das Entstehen von Signalen. Die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen funktioniert über elektrische und chemische Synapsen, von denen die chemischen besser erforscht sind als die elektrischen. „Es gibt erregende und hemmende Signale“, so Schuchmann, „und bis das Signal im Gehirn beispielsweise zu einer Bewegung führt, ist ein komplizierter Weg vom Sensor, der mit dem ersten Neuron verschaltet ist, über das Rückenmark bis ins zentrale Nervensystem (ZNS) zurückgelegt.“ Man könne sich kaum vorstellen, wie komplex scheinbar einfache Dinge wie Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen und Bewegen funktionieren.
Die Herausforderung für einen jeden Neurowissenschaftler laut Schuchmann: „Das Gehirn ist gut verpackt, schwer zu durchschauen und man kann es nicht einfach aufmachen und reinschauen“. Allenfalls in den ersten 15 Lebensmonaten, wenn die Fontanelle noch nicht komplett verschlossen ist, kann ein erfahrener Diagnostiker per Ultraschall wichtige Funktionen des Gehirns quasi von außen überprüfen. In seinem Vortrag zeigte Schuchmann allerdings auch die bahnbrechenden Möglichkeiten der modernen Diagnostik mittels MRT (Magnet-Resonanz-Tomographie), PET (Positronen-Emissions-Tomographie) und CT (Kernspintomograhie) auf. Gerade durch Verletzungen oder Erkrankungen des Gehirns, wie zum Beispiel Tumore, seien die Funktionen des Gehirns immer besser zu durchschauen. Intensiv beschäftigte sich Schuchmann mit den Themen Alzheimer sowie Epilepsie.
Für alle Lehrer, die einen Großteil des Auditoriums ausmachten, waren die Erkenntnisse rund um die kognitive Neurowissenschaft interessant: Die kognitive Neurowissenschaft untersucht die so genannte innere Repräsentation mentaler Ereignisse, zum Beispiel Sprache, Gedächtnis und Lernen. Schuchmann: „Das Gehirn kann auf Grundlage von Erfahrungen und Wahrnehmung Entscheidungen zu sinnvollem Handeln treffen.“ Ein vordergründig simpler Vorgang: Es regnet, der Mensch, sieht, hört, fühlt den Regen und seine Erfahrung sagt ihm: Schirm mitnehmen! Sensorische Infos (Regen prasselt auf die Haut), landen erst im Kurzzeitgedächtnis. Durch Konsolidierung (Verfestigung) gelangen sie ins Langzeitgedächtnis.
Die anschließende Diskussion unter den Zuhörern wurde von pädagogischen Plädoyers wie diesem getragen: Es ist für ein Kind tausend mal besser, eine halbe Stunde im Regen zu stehen oder im Sand zu spielen, Regen und Sand auf der Haut zu spüren, zu schmecken und mit allen Sinnen zu erfassen als zehn Minuten vor dem Sandmännchen zu hocken und zuzuschauen, wie es den Sand verteilt.