Als Chronisten „eines Alltags, der in Geschichte verwoben ist“ begrüßte Prof. Dr. Norbert Otto Eke vom Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft am Montag, 9. November, Uwe Timm an der Universität. Im vollbesetzten Hörsaal G las der renommierten Autor aus seinem aktuellen Roman „Halbschatten“.
Hörsaal G war für den in Berlin und München lebenden Schriftsteller ein neues Ambiente, ansonsten aber ist er mit der Universität Paderborn wohl vertraut: 1991/1992 übernahm er die neunte Paderborner Gastdozentur für Schriftstellerinnen und Schriftsteller und hat die Uni seitdem immer wieder für Lesungen besucht. Gern erinnere er sich an diese Zeit zurück, sagte Timm am Montag, denn die Dozentur sei für ihn ein Resümee seines bisherigen Schreibens gewesen. Uwe Timm lebt seit 1971 als freier Schriftsteller.
Schon in seinen Vorlesungen in den 1990er Jahren habe Uwe Timm für eine „am Realismus ansetzende“ Hinwendung zu alltäglichen Dingen in der Literatur plädiert, führte Prof. Eke in den neuen Roman „Halbschatten“ ein. In ihm nimmt Timm die deutsche Geschichte anhand der historischen Figur Marga von Etzdorf in den Blick. Die junge Fliegerin beginnt nach einer Bruchlandung 1933 Selbstmord. Jahrzehnte später begegnet der Erzähler des Romans während einer Stadtführung ihrem Grab auf dem Berliner Invalidenfriedhof und fragt sich, was sie hier, zwischen den Toten der preußischen Militärgeschichte, NS-Größen und zivilen Opfern der letzten Kriegstage, zu suchen hat. Die Antwort kommt aus den Gräbern: Ein „vielstimmiger Chor der Toten“ erzählt unter anderem die Geschichte von Marga von Etzdorf und ihrer Liebe zum Kampfflieger Christian von Dahlem.
In der anschließenden erzähltheoretischen Diskussion über sein Werk erklärte Uwe Timm, er habe seinen Roman als „Oratorium“ angelegt – mit verschiedenen Stimmen und Sprechweisen historischer und fiktiver Figuren. Er rekonstruiert dabei das Schicksal Marga von Etzdorfs mit einer Mischung aus dokumentarischem und fiktivem Material. „Halbschatten“ behandelt auch „die deutsche Katastrophe“ Nationalsozialismus mit ihren Tätern und Opfern, die sich auf dem Berliner Invalidenfriedhof gut studieren lasse.
In der Reihe „Deutsche Literatur der Gegenwart“ des Instituts für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft liest am Montag, 16. November, Katrin Röggla aus „wir schlafen nicht“ und „draußen tobt die dunkelziffer“.