Koranische Zugänge zu Jesus Christus in der Perspektive Komparativer Theologie
Overview
Die Christologie gilt unter Angehörigen des Christentums und Islams gemeinhin als der entscheidende Differenzpunkt beider Religionen. Während für Christen der Glaube an Jesus Christus als Sohn Gottes den entscheidenden Glaubenskern darstellt, scheint eben die Absage an dieses Bekenntnis für den islamischen Glauben grundlegend zu sein. Nicht der Glaube an Gott oder das Gottesbild gilt deswegen in der Regel als das Hauptproblem im islamisch-christlichen Dialog, sondern das christliche Bekenntnis zu Jesus als dem Christus.
Auf der anderen Seite gibt es wahrscheinlich keine andere Religion neben dem Christentum, die in den normativen Grundlagen ihres eigenen Glaubens eine so tiefe Wertschätzung von Person und Werk Jesu von Nazaret vorfindet wie der Islam. Von daher kann man in der islamischen Tradition immer wieder eine beachtliche Faszination wahrnehmen, die die Gestalt Jesu auf Muslime ausgeübt hat. So geben einige koranische Aussagen, die Jesus z.B. als das Wort Gottes bezeichnen, Anlass, diese Aussagen auf ihren christologischen Gehalt zu untersuchen.
Das Projekt hat sich deswegen mit der Frage auseinandergesetzt, ob es von christlicher Seite aus denkbar ist, die koranischen Würdigungen Jesu von Nazaret als eine Form von Jesuologie anzuerkennen, die auch Christen etwas Entscheidendes zu sagen hat. Einer christlichen Komparativen Theologie stellt sich in diesem Kontext die Frage, ob sie die islamische Würdigung Jesu von Nazaret ernst nehmen kann, ohne die eigenen, gerade in der Christologie so konstitutiven Geltungsansprüche preiszugeben. Es ging also um die Sondierung, ob man den koranischen Zugang zu Jesus von Nazaret sinnvoll in die christliche Glaubensreflexion integrieren und ob man die Fremdheit dieses Zugangs als Bereicherung der christlichen Identität entdecken kann.
Zugleich stellte sich einer muslimischen Komparativen Theologie die Frage, ob auch aus ihrer Sicht das Verhältnis von christlichem Bekenntnis zu Jesus als dem Christus und den koranischen Aussagen so neu gedacht werden kann, dass man von muslimischer Seite eine moderne Christologie in ein fruchtbares Verhältnis zum islamischen Denken setzen kann.
Key Facts
- Keywords:
- Komparative Theologie, Theologie
- Grant Number:
- 230147266
- Project duration:
- 01/2013 - 12/2018
- Funded by:
- DFG
- Website:
-
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Prof. Dr. Muna Tatari
Islamische Systematische Theologie
Professorin
Prof. Dr. Zishan Ghaffar
Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften (ZeKK)
Professor - Vorsitzender
Klaus von Stosch
Results
Das durch das Projekt möglich gewordene Buch "Der andere Prophet. Jesus im Koran" ist das erste Buch über Jesus im Koran, das von einem muslimischen und einem christlichen Theologen gemeinsam geschrieben wurde. Zudem haben beide versucht, gezielt altorientalische und protestantische, aber auch schiitische und jüdische Perspektiven in ihre Überlegungen einzubeziehen. Zudem wurden ausführlich neuere Erkenntnisse historischer und philologischer Forschung rezipiert. Von daher ist das Projekt schon in seiner Anlage innovativ. Methodisch gesehen handelt es sich zudem um das erste Buch, das alle Jesusverse im Koran konsequent diachron analysiert und doch zugleich den jeweiligen Surenkontext analysiert. Auch exegetisch geht das Werk damit neue Wege. Inhaltlich überraschend waren viele neue Detailerkenntnisse im Blick auf das koranische Jesusbild. So sind gerade die scheinbar christentumskritischen späten Jesusverse des Korans ausgesprochen hilfreich für eine christliche Rezeption, wenn man einmal ihren historischen Kontext richtig verstanden hat. Wenn man beispielsweise erkennt, dass Jesus im sechsten und siebten Jahrhundert nicht nur von einer Minderheit, sondern auch von der byzantinischen Reichstheologie so gesehen wird, dass er nicht essen und trinken musste und keine libertarische Freiheit besaß (also z.B. in Getsemani nicht weglaufen konnte), wird die koranische Intervention für das Essen- und Trinken-Müssen Jesu in Q 5:75 als notwendige Korrektur der byzantinischen Christologie erkennbar, die ein zentrales Verstehenshindernis für die christliche Soteriologie zu beseitigen in der Lage ist. Denn christlich kommt alles darauf an, dass Jesus das annimmt, was er erlöst, sodass er auch unseren Hunger und unseren Durst in all seiner Hoffnungslosigkeit kennen muss, um uns retten zu können. Es ist sehr überraschend, dass der Koran hier gegen die byzantinische Christologie und für die Ermöglichung des christlichen Erlösungsglaubens Partei ergreift. Ein anderes spannendes Beispiel liegt in der Würdigung des Kindes Jesus als Prophet und in der Möglichkeit von dieser Würdigung Jesu sein Kindsein neu in den Blick zu nehmen. Überhaupt bietet die Sure Maryam mit ihrer – wie Angelika Neuwirth es formuliert – mythopoetischen Sprache und ihren herausfordernden Bildern wichtige neue christliche Rezeptionsmöglichkeiten – gerade wenn man im Blick behält, dass hier an der Figur Mariens die Barmherzigkeit Gottes eingeführt wird, und dass an Jesus der Prophetenbegriff profiliert wird. Umgekehrt ist es sicher eine der besonders herausfordernden Erkenntnisse unseres Projekts, dass die Christologie Muslime dazu anregen kann, die Leidenschaften Gottes neu zu bedenken und Gottes barmherzige Liebe zu den Menschen so zu verstehen, dass Gott sich hier in seinem Innersten dem Menschen aussetzt und sich von ihm bewegen lassen will. Dass das Projekt auch im nicht-akademischen Kontext positiv aufgenommen wurde, bezeugen zwei Artikel, die in der „Welt am Sonntag“ sowie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erschienen sind. Presse: Wiegelmann, Lukas, Das Mohammed-Evangelium. In: WamS 13 (2016), 53f. Zander, Helmut, Alle mal tief durchatmen. In: FAZ 261 (2018), 10. Information: Publikationen: