Der Kampf um die Reichsabtei Corvey im Dreißigjährigen Krieg – Akteure, Strategien und Allianzen (Arbeitstitel)
Overview
Das Thema „Corvey im Dreißigjährigen Krieg“ hat in der bisherigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Klostergeschichte Corveys wenig Beachtung erfahren. Dieser Umstand ist erstaunlich, werden doch diese Jahrzehnte in der Literatur häufig als „Tiefpunkt“ der Abteigeschichte beschrieben, welche bereits ab der Zeit des Spätmittelalters als „Verfallsgeschichte“ gedeutet wird. Diese Deutungen resultieren häufig aus einem kontrastierenden Vergleich mit der Entwicklung Corveys im Hochmittelalter, dem „Goldenen Zeitalter“ der Abtei.
Das Urteil über Corvey in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstand aber ebenso aus einer einseitigen Konzentration der bisherigen knappen Analysen auf die militärisch-physische Gewalt, welche in dieser Zeit immer wieder von den durchziehenden Söldnerarmeen ausging. So entwickelte sich ein Bild über das Klosterstift Corvey, das fast ausschließlich von Zerstörungen, Plünderungen, Vergewaltigungen und Mord geprägt ist. Dieses Narrativ wurde mit dem jährlichen Gedenken an das sogenannte „Höxteraner Blutbad“ 1634 bis weit in das 20. Jahrhundert von Generation zu Generation weitergegeben. Corvey erscheint in dieser Meistererzählung als ein wehrloses Opfer, das zum Spielball konkurrierender Mächte und anonymer Massenheere wurde. Neben dieser Erinnerungskultur spielten auch die Werke des Corveyer Archivars Paul Wigand eine entscheidende Rolle, der im 19. Jahrhundert die militärisch-physische Gewalt dieser Kriegsjahrzehnte in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellte.
Die Dissertation möchte das Thema in einen größeren Horizont kontextualisieren und aufzeigen, dass um diese Klosterherrschaft während des Dreißigjährigen Krieges nicht nur mit Waffengewalt, sondern auch mit anderen Mitteln gerungen wurde. Dabei treten bei der vorzunehmenden Untersuchung die Akteure vor Ort wesentlich stärker in den Fokus. Der Dreißigjährige Krieg bot zum einen den direkten Nachbarn Corveys, dem Hochstift Paderborn, der Landgrafschaft Hessen und dem Herzogtum Braunschweig, die Möglichkeit, ihre schon seit dem 16. Jahrhundert angestrebten außenpolitischen Ziele im Hinblick auf den Klostersprengel mit neuen Mitteln durchzusetzen. Es wurden nun beispielsweise mithilfe der Kartographie oder auch mit Ritualen (z. B. Huldigungseide) öffentlich Machtansprüche postuliert, die über die militärische Ebene hinausgingen und die ohne den Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges nicht möglich gewesen wären. Dabei ist spannend zu sehen, wie nicht nur die unmittelbaren Nachbarterritorien, welche zum Teil sogar Schutzmächte Corveys waren, immer wieder ihren Einfluss auf Corvey in dieser Zeit auszubauen versuchten, sondern auch die stiftinternen Akteure wie Fürstäbte, der Konvent oder auch die Stadt Höxter mit den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten heftig um Geltung und Einflussnahme kämpften. So entsteht ein Bild von lokalen Herrschaftsträgern, das nicht von Passivität und dem Erleiden der unabwendbaren Nemesis geprägt ist, sondern von einem starken Willen, das eigene Schicksal nicht kampflos hinzunehmen bzw. die eigene Corvey-Politik erfolgreich umzusetzen und abzuschließen.
Es geht der Arbeit somit um die Kämpfe und Auseinandersetzungen, die sich neben der militärischen Ebene abspielten und welche die Entscheidungsträger vor Ort wesentlich mehr beschäftigt haben als die sich ständig wechselnden Söldnerheere.
Key Facts
- Project duration:
- 08/2019 - 12/2025