„A kind of laboratory, to search for the beauty in nothing” – Zur Tischmatte von Dieter Roth
Die „Silogespräche“ des Fachs Kunst zum Thema „Tischruinen“ starten am 4. Mai um 16 Uhr als Online-Veranstaltung. Zu Gast ist Dr. Ina Jessen, Kunsthistorikerin, Kuratorin und Mitarbeiterin der Dieter Roth Foundation in Hamburg.
In vielen künstlerischen Arbeiten der Gegenwartskunst erscheint der Tisch als Möbel, Modell oder Motiv. Der Tisch ist Anlass für regelmäßige Zusammentreffen, Treffpunkt sozialer Veranstaltungen, Träger von Dingen und Objekten und Fläche für Einschreibungen. Er strukturiert Handlungsabläufe und reglementiert soziale Ordnungen. Einen Großteil unserer Zeit verbringen wir an Tischen – der Tisch ist daher immer auch Teil der eigenen Lebensgeschichte. Vom kulturell geprägten Ort der sozialen Begegnung etwa am Küchentisch, über die Verknüpfung von Esskultur, Lebensmitteln und deren Zuschreibung bis hin zum Arbeitsplatz oder gar Lebensort Tisch – die Tischmatte des Künstlers Dieter Roth (1930-1998) verknüpft unterschiedliche Gebrauchs- und Deutungsformen.
Im Gespräch mit Prof. Dr. Sabiene Autsch und Studierenden des kunstwissenschaftlichen Seminars erörtert Ina Jessen die Transformation der Tischmatten von einem materialreichen Objektträger in eine sich translokativ wiederholende Raumstruktur, die letztlich als Kartografie von Arbeits- und Lebensorten, -prozessen und -zuschreibungen lesbar ist. Brot, Früchte, Tablettenpackungen, Nägel, Notizzettel, Stifte, Kronkorken und viele weitere Alltagsdinge finden in Roths Œuvre ihre Verwendung als Kunstmaterial und damit einhergehend eine Neuzuschreibung in ihrer Funktion. Roths bislang in der Forschung wenig beachtete Werkgruppe der Tischmatten leitet in Hinblick auf diese Aspekte zu Fragen der Materialität, deren semantischer Konnotation und sensuellen Rezeptions-Wahrnehmung sowie der im Transformationsprozess vom Alltags- zum Kunstobjekt begriffenen Performativität. Im Zusammenhang der Werkgenese des Objekts Tischmatte (1991-1998) erschließen sich Materialzuschreibungen und Bedeutungsebenen mit konkretem Zeit- und Ortsbezug.
Über die Vortragende
Ina Jessen wurde 2019 mit ihrer Dissertation „Ein deutscher Maler. Otto Dix und der Nationalsozialismus“ am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg promoviert. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ und in der Lehre ist sie dort seit 2015 tätig und widmet sich dabei verschiedenen Themen, u. a. Dieter Roth, transformierenden Kunstmaterialien und ihren kunstwissenschaftlichen Ansätzen. Im Rahmen ihres Postdoc-Projekts geht es verstärkt um Aspekte des Prozessualen in der Kunst und um das in der aktiven Auflösung begriffene Ephemere, das vor allem materialspezifisch, ikonographisch, institutionskritisch und damit gesellschaftsreflexiv in den Forschungsfokus rückt. Seit 2012 ist Ina Jessen als Kuratorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Dieter Roth Museum (Hamburg) aktiv. Ausstellungen in Kooperation mit international renommierten Ausstellungshäusern (u. a. Deichtorhallen, Hamburg) realisiert sie als Kuratorin solo wie auch im Kurator*innenteam. Sie hat zahlreiche Publikationen zur Klassischen Moderne sowie künstlerischen Positionen in Eat Art- und Material-Kontexten veröffentlicht.
Die Silogespräche finden in diesem Semester als Online-Veranstaltung statt und beginnen jeweils um 16 Uhr. Einwahl-Link: https://uni-paderborn-de.zoom.us/j/94355534676?pwd=ZnZpRG0wZHY2cXl3OWhCTG5OTGpjdz09.
Weitere Informationen gibt es hier.