Kunst aus Alu­mini­um: „Si­lo­ge­spräche“ am 24. Novem­ber mit Bild­hauer Hein­er Thiel

Im zweiten Teil der digitalen „Silogespräche“ des Fachs Kunst zum Thema „Der Besuch im Atelier des 21. Jahrhunderts“ gibt der Wiesbadener Bildhauer Heiner Thiel am 24. November ab 16 Uhr Einblicke in seine Arbeit.

Im Gespräch mit Prof. Dr. Sabiene Autsch und Studierenden geht es um die spezifische künstlerische Produktionsweise von Heiner Thiel, die nur zum Teil im Atelier realisiert wird. War es in den 1970er Jahren noch vor allem der Bronzeguss, der den Künstler faszinierte, begann er in den 1980er Jahren mit Stahlblechen zu experimentieren, die er in einem komplexen malerischen Verfahren vorbehandelte. Diese Stahlbleche formte er dann zu abstrakten Wandreliefs.

Seit Ende der 1990er Jahre entstehen in Thiels Atelier Arbeiten aus Aluminiumblechen, die entweder konkav oder konvex geformt sind und mit einem Farbauftrag versehen werden. Der Farbauftrag erfolgt durch Eloxierung und ist nur 20 Tausendstel Millimeter dick. Auch die Herstellung und Vorbearbeitung der Aluminiumbleche wird industriell ausgeführt. Dabei handelt es sich um Teile von großen Kugelelementen, die für die Industrie benötigt werden. Die künstlerische Arbeit von Heiner Thiel, die wichtige Impulse aus konkreter Kunst und Minimalismus erfahren hat und auf einem konzeptuellen Denken basiert, ist ohne den Einsatz moderner Technologien und industrieller Verfahren nicht realisierbar: Eine Maschine schleift die Oberfläche ab, eine weitere biegt flache Aluminiumbleche, ein chemisches Bad eloxiert die Farbe. Der Künstler setzt außerdem den Computer ein und bestimmt durch digitale Modellierung die Radien, Formen und Farben; er poliert die Oberflächen und schleift die Enden des durch und durch industriellen Produkts. In den Schaukontexten entfalten die monochromen Werke durch Einwirkung von Licht und Schatten vielfältige Resonanzen und bewirken neue Wahrnehmungserlebnisse in den Grenzbereichen von Skulptur und Malerei, Relief und Körper, Kontemplation und Interaktion, Zwei- und Dreidimensionalität.

Digitalisierung, Outsourcing, Arbeitsteilung, Dienstleistung – Begriffe, die wir aus der Wirtschaft kennen, haben schon seit langem Einzug in die Kunst und in die künstlerische Produktion gefunden. Doch wie wirken sich Aus- und Verlagerung von kreativen Aktivitäten auf das künstlerische Denken und Handeln aus? In welcher Weise bestimmen Fremdbezug, also der Auszug des Modells aus dem Atelier und seine Rückkehr beziehungsweise sein Wiedereinzug als nahezu abgeschlossene künstlerische Arbeit zugleich die Nähe des Künstlers zu seiner Arbeit, die immer auch geprägt ist durch Experimente, Prozesse, Momente von Scheitern und Neubeginn? Wie verändern diese Strukturen zugleich die Architektur des Ateliers, das clean, durchrationalisiert, aufgeräumt anmutet und mehr Büro als Alchemistenküche oder Labor zu sein scheint? Und: Inwiefern sind Prozesse von Outsourcing ebenso wie Idee und Konzept, Ausstellung und Katalog integrierte Bestandteile der künstlerischen Arbeit, die zu einer Neubestimmung von Kunstbegriff, Produktionsverfahren und Atelier im 21. Jahrhundert auffordern?

Über den Vortragenden

Heiner Thiel (* 1957) studierte von 1978 bis 1982 Kunstgeschichte an der Johannes- Gutenberg-Universität in Mainz, bevor er von 1983 bis 1985 an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste – Städelschule in Frankfurt am Main ein Studium Bildende Kunst aufnahm. Im Jahr 1985 erhielt er den Förderpreis für bildende Künstler der Stadt Mainz, im Jahr darauf den Förderpreis des Landes Rheinland-Pfalz. Weitere Förderpreise und Kunstpreise folgten. 1987 und 1996 nahm er eine Gastprofessur an der California State University, Chico, CA., USA wahr. 1998 war er Stipendiat der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur – Künstlerhaus Schloss Balmoral. Seine Arbeiten finden sich im öffentlichen Raum sowie in öffentlichen und privaten Sammlungen. Seit 1990 Teilnahme an internationalen Kunstmessen u.a.: Kunst Köln, ART Frankfurt, ARCO Madrid, Arte Fiera Bologna, Kunst Karlsruhe, ART Chicago, ART Basel, Art Basel - Miami, ART Santa-Fe, Kunst Zürich, KUNST WIEN, Wien, Kunstmesse Palm Springs, ART MIAMI. Seine kuratorische Tätigkeit umfasst die Serie „Embodying Colour“ (seit 2013 u.a. in der Kunsthalle Wiesbaden, Vasarely Museum Budapest, Museum Wilhelm Morgner Soest). Jüngste Einzel- und Gruppenausstellungen: 2020 Punkt und Linie zur Fläche – frei nach Kandinsky, Galerie Renate Bender, München, Channeling The Baroque: A Group Exhibition, Charlotte Jackson Fine Art, Santa Fe, NM (USA); 2019 Fläche und Raum – Margit Matthews Heiner Thiel, Galerie m50 Gabriele Wittner, Oberursel, Expositie Stephan Siebers & Heiner Thiel, Broft Galreie, Leerdam (NL), 2019 Mostly Blue – A Group Exhibition, Charlotte Jackson Fine Art, Santa Fe, NM (USA), ARTeMOZIONE - Galerie Floss&Schultz, Köln, In guter Gesellschaft – Heiner Thiel und die Sammlung Schroth, Neuer Kunstverein Aschaffenburg, weiss/blanc/bianco, Schuraum Multipleart, Zürich (Schweiz), Ein Hoch auf die kleinen Formate, raum2810, Bonn. Der Künstler lebt und arbeitet in Wiesbaden.

Die „Silogespräche“ finden im Wintersemester als Online-Veranstaltung statt und beginnen jeweils um 16 Uhr. Einwahl-Link zum Vortrag am 24. November: https://uni-paderborn-de.zoom.us/j/93985447381?pwd=N3h3VGtkYndOeFhEaTFNMlNOU3dhUT09 (Meeting-ID: 939 8544 7381, Kenncode: 887646)

Text: Fach Kunst

Foto (YoungCollectors.de): Der Wiesbadener Bildhauer Heiner Thiel gibt am 24. November Einblicke in seine Arbeit.

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