Ge­mein­wohl-Re­gion Kre­is Höx­ter: Ko­op­er­a­tion mit der Uni­versität Pader­born ge­star­tet – Nach­haltigkeit soll sys­tem­at­isch verbessert wer­den

In einem Kooperationsprojekt mit der Universität Paderborn erstellen die Vereinigte Volksbank eG mit Sitz in Brakel, die Firma Kaiser Haus aus Marienmünster-Vörden und das Höxteraner Büro Bioplan eine sogenannte Gemeinwohl-Bilanz. Damit sollen erstmals nicht nur die Finanzen der Unternehmen, sondern auch ihr Engagement für Nachhaltigkeit und Gemeinwohl systematisch erfasst werden. Den Rahmen für die Kooperation bildet das LEADER-Projekt „Gemeinwohl-Region Kreis Höxter“, das die Stiftung Gemeinwohl-Ökonomie NRW 2019 gestartet hat.

Der Startschuss für die Bilanzierung fiel im Lockdown auf ungewöhnliche Weise: Statt die Unternehmen zu besuchen, begann der Prozess gestern komplett online per Video-Workshop. Master-Studierende der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Paderborn treten dabei in den kommenden Monaten wie eine Unternehmensberatung auf, während sie selbst in einem Seminar am Lehrstuhl von Prof. Dr. René Fahr das Konzept erlernen. So entsteht für sie eine willkommene Praxiserfahrung, von der sich die Unternehmen handfeste Entwicklungsfortschritte versprechen: „Wir stellen Fertighäuser mit dem nachhaltigen Produkt Holz her“, berichtet Kaiser Haus-Geschäftsführer Marcus Kaiser. „Unser Ziel ist es, in kleinen Schritten auch in weiteren Bereichen immer nachhaltiger zu werden.“

Eike Spellerberg von Bioplan wünscht sich ähnliche Effekte: „Wir sind als Büro für komplexe ökologische Planungen in Sachen Nachhaltigkeit schon ganz gut unterwegs. Ich hoffe, die Bilanzierung wird das auch zeigen, uns aber auch deutlich machen, wo wir noch besser werden können.“ „Als Genossenschaftsbank, die ihren Kunden gehört, liegt Nachhaltigkeit in unserer DNA“, so Thomas Göke von der Vereinigten Volksbank. „Wir wollen das Thema noch stärker in den Fokus rücken, es strukturiert und umfassend angehen. Dafür hat uns das Konzept der Gemeinwohl-Bilanz sehr gut gefallen“.

Ähnlich beschreibt auch Prof. Dr. Fahr seine Motivation zur Teilnahme am Projekt: „Das Gemeinwohl sollte Ziel jedes wirtschaftlichen Handelns sein. Gemeinsam mit den Studierenden lernen die Unternehmen nun, welche Stellschrauben dabei helfen. Die zusätzliche Bilanzierung ermöglicht es ihnen, ihren Gemeinwohlbeitrag in Zahlen zu fassen und damit zu messen, wie nachhaltig sie sind. Sie erhalten dadurch einen neuen Blick auf ihr Unternehmen, der ihnen verstellt bliebe, wenn sie sich auf reine Finanzkennzahlen fokussieren würden“, so Fahr.

„Wir freuen uns, dass nach den fünf Pionier-Firmen im vergangenen Jahr nun drei weitere Höxteraner Unternehmen in ihre nachhaltige Entwicklung investieren“, so Stiftungs-Referent Christian Einsiedel. „Der Prozess läuft über unsere Projektlaufzeit hinaus weiter bis circa Mitte 2021. Insgesamt werden es bis dahin sogar zehn bilanzierende Unternehmen im Kreis sein. Dazu kommen die Stadtverwaltungen von Steinheim, Brakel und Willebadessen, die ebenfalls eine solche Bilanz erstellt haben“.

Gleichzeitig sei die Bilanzierung nur ein erster Schritt: „Die Bilanz ist als Rückblick wichtig, weil sie Bewusstheit schafft. Entscheidend sind allerdings die vielen guten Ideen, die dabei erfahrungsgemäß entstehen. Wenn sie im Anschluss auch umgesetzt werden, fällt die nächste Bilanz besser aus“, so Einsiedel. Dadurch entstehe wie bei der Finanz-Bilanz ein Anreiz, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf das Gemeinwohl stetig zu verbessern.

Hintergrund-Informationen

Die Gemeinwohl-Ökonomie ist eine 2010 gegründete zivilgesellschaftliche Bewegung. Sie ist demokratisch organisiert und wird als lernendes System in Arbeitskreisen und einem weltweiten Netz von Regionalgruppen beständig weiterentwickelt. Ihr Ziel: Unternehmen, Kommunen und Bildungseinrichtungen dabei zu unterstützen, ihre Tätigkeit stärker mit ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit sowie demokratischen Grundwerten in Einklang zu bringen.

Die Vision der Gemeinwohlregion Kreis Höxter wird als LEADER-Projekt mit EU- und Landesmitteln gefördert. Ziel des Projekts ist es, möglichst viele Kommunen, Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Bürger*innen im Kreis Höxter mit den Ideen der Gemeinwohl-Ökonomie in Kontakt zu bringen, Organisationen zur Bilanzierung zu ermutigen und diesen Prozess durch Netzwerkarbeit und konkrete Hilfestellung zu unterstützen. Das Akronym LEADER steht für „Liaison entre actions de développement de l’économie rurale“ („Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft“). Der Kreis Höxter zählt seit 2016 zu den 28 LEADER-Regionen in NRW.

Getragen wird das Projekt von der gemeinnützigen Stiftung Gemeinwohl-Ökonomie NRW. Sie wurde 2017 auf private Initiative gegründet, ist wirtschaftlich und parteipolitisch unabhängig und setzt sich für einen Wandel der Wirtschaft hin zur Gemeinwohl-Ökonomie ein. Dieser ist dringend notwendig: Ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit sollten gleichberechtigt entwickelt werden, denn Wirtschaften mit wachsendem Ressourcenverbrauch ist in unserer Welt auf Dauer unmöglich.

Infos: www.gemeinwohlregion-kreis-hoexter.de

Foto (Universität Paderborn): Prof. Dr. René Fahr von der Universität Paderborn.

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