Geschäftsführerin Dr. Katja Simons über internationale Zusammenarbeit, aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen in der Metropole
Seit einem Jahr ist der Verbund „Campus OWL“ der fünf staatlichen Hochschulen in Ostwestfalen-Lippe mit einem Verbindungsbüro in Amerika vertreten. Im „German House“ im Herzen New Yorks bewirbt Geschäftsführerin Dr. Katja Simons Studien- und Forschungsmöglichkeiten in OWL und fördert die Zusammenarbeit mit Partnerinstitutionen in Nordamerika. Ziel ist es, Studierende, Wissenschaftler*innen, Industrie- und Wirtschaftsvertreter*innen sowie Stakeholder noch stärker international miteinander zu vernetzen.
Im Interview berichtet Katja Simons von der aktuellen Situation und den Entwicklungen in New York. Sie fasst zusammen, was seit der Gründung des Verbindungsbüros geschehen ist, gibt Einblicke in ihre Arbeit und schildert, wie sie „Social Distancing“, den Lockdown und die „Black Lives Matter“-Proteste in den USA erlebt.
Frau Simons, seit Juni 2019 besteht das Verbindungsbüro vom Campus OWL in New York. Was hat sich seit der Eröffnung getan?
Simons: Das erste Jahr war sehr erlebnisreich und produktiv! Die Liste der Aktivitäten ist lang: Wir haben Studien- und Forschungsmöglichkeiten auf mehreren Messen und Konferenzen präsentiert, gemeinsame Projekte mit nordamerikanischen Partner*innen weiterentwickelt, Kontakt zu Alumni der fünf OWL-Hochschulen im Großraum New York aufgenommen, eine Webseite entwickelt und vieles mehr. Ein besonderes Highlight war die feierliche Eröffnungsveranstaltung und unser Fachgespräch, an dem unter anderem auch Wissenschaftler*innen der Universität Paderborn mit ihren US-Kolleg*innen beteiligt waren. Dafür haben wir mit „Future of Work – Arbeit 4.0“ ein Thema gewählt, in dem die Wissenschaftsregion OWL besonders forschungsstark ist und das über hohes Kooperationspotential mit nordamerikanischen Partnern verfügt. Durch die Pandemie mussten wir dann alle unsere Aktivitäten in den virtuellen Raum verlagern.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf das „German House“ in New York? Wie sieht ihr Arbeitsalltag derzeit aus?
Simons: Ich arbeite seit dem 16. März komplett im Homeoffice. Unser Büro befindet sich im German House, dem Sitz der Ständigen Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen und des deutschen Generalkonsulats, das auf Notbetrieb umgestellt hat, sodass nur eine Minimalbesetzung im Gebäude vertreten ist. Ich tausche mich mit den New Yorker Kolleg*innen in den anderen Hochschulbüros, mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) regelmäßig aus, ebenso mit den Mitarbeiter*innen an den OWL-Hochschulen. Wir haben Videokonferenzen mit nordamerikanischen Partnern und planen Aktivitäten und neue Programme für die kommenden Jahre.
Was empfinden Sie als die größte Herausforderung beim Arbeiten von zuhause?
Simons: Das Arbeiten von zuhause ist an sich kein Problem, ich nehme es eher als Privileg wahr. Aber bestimmte Aktivitäten sind zurzeit nicht möglich. Vieles können wir durch virtuelle Formate ersetzen, aber nicht alles lässt sich online organisieren. Was fehlt, sind Mobilität und persönliche Begegnungen. Natürlich zwingen uns die Pandemie und vorher auch schon der Klimawandel, über neue Formen des internationalen Austausches nachzudenken. So komme ich immer mehr zu der Überzeugung, dass virtuelle Zusammenarbeit auch in der Lehre mit internationalen Partneruniversitäten immer wichtiger wird. Insofern haben wir jetzt die Chance, Internationalisierung und Digitalisierung weiter zu entwickeln, sodass virtuelle Zusammenarbeit in Zukunft neben der physischen Mobilität ein weiterer starker Pfeiler des internationalen Austausches wird.
Gibt es etwas, das Ihnen durch das „Social Distancing“ besonders fehlt?
Simons: Ich vermisse das Netzwerken und insbesondere die Begegnungen mit Menschen bei Veranstaltungen oder auf Dienstreisen. Man kann sich sehr gut für Videokonferenzen verabreden und effektiv Themen besprechen, aber zufällige und ungeplante Begegnungen finden derzeit nicht statt.
Was bewundern Sie in der aktuellen Situation am meisten?
Simons: Ich bin vor allem von der Resilienz der Menschen in Krisenzeiten beeindruckt. Es ist faszinierend, wie anpassungs- und widerstandsfähig wir Menschen doch sind! Lehrende, die den Unterricht zügig online umgestalten, Studierende, die die Herausforderungen annehmen und weiterlernen. Wissenschaftler*innen, die das Virus erforschen, Tests und Impfstoffe entwickeln. Institutionen zeigen, wie enorm wandlungsfähig sie sind. Beeindruckend ist außerdem, wie gut Teams auch online funktionieren. Ich denke, wir kommen zum Teil gestärkt aus der Krise.
Sie leben bereits seit vielen Jahren mit Ihrer Familie in New York. Die Metropole wurde US-weit zum Zentrum der Corona-Pandemie. Wie haben Sie New York in der Zeit des Lockdowns erlebt?
Simons: Als New York City zum Epizentrum der Pandemie wurde, gab es mehrere Tage, an denen mehr als 600 Menschen täglich starben. Die Stille in der Stadt, die zum Erliegen gekommen war, wurde nur durch die Sirenen der Krankenwagen unterbrochen. Schnell wurde auch klar, dass viele benachteiligte Bevölkerungsgruppen am stärksten von der Pandemie getroffen wurden. Dazu kommt die wirtschaftliche Situation und die hohe Arbeitslosigkeit – Hundertausende von Menschen sind in ihrer Existenz bedroht, haben ihren Job verloren oder können sich nicht mehr das Nötigste leisten. Persönlich kann ich vor allem dankbar sein, dass so viele in dieser Stadt und Region dafür sorgten, dass das Leben weitergegangen ist: Essen im Supermarkt vorhanden war, Post geliefert wurde, das Krankenhauspersonal im Dauereinsatz war und die Schule meiner Kinder sehr gut auf E-Learning umgestellt hat.
Nach fast drei Monaten des Lockdowns wagt New York nun die ersten Lockerungen und fährt die Wirtschaft und das öffentliche Leben phasenweise langsam wieder hoch. In den vergangenen Wochen war der Alltag in New York zusätzlich von den Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus geprägt. Wie nehmen Sie die Stimmung vor Ort wahr?
Simons: In der Tat kommt jetzt zu der Pandemie und der wirtschaftlichen Not vieler Menschen noch eine dritte Krise, die 400 Jahre alt ist: Rassismus. Ein besonderer Fokus liegt auf Polizeigewalt und Rassismus, längst geht es aber nicht mehr nur um die Reform der Polizei, sondern auch um viele andere gesellschaftliche Bereiche und Institutionen. Auffallend ist die breite Solidarität mit der „Black Lives Matter“-Bewegung, die es ja schon länger gibt, aber noch nie gab es so viel gemeinsamen Protest gegen Rassismus wie zurzeit. Ich denke, es ist die Erkenntnis, dass es uns alle angeht, die Hoffnung macht. Alltagsrassismus ist immer noch so weit verbreitet, dass jeder einzelne angesprochen ist und etwas verändern muss.
Interview: Jennifer Strube, Stabsstelle Presse und Kommunikation