Die Zukun­fts­meile 2 als Heimat des SICP – In­ter­view mit Prof. Dr. En­gels und Dr. Sauer

„Neuartiges Konzept der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.“

Die ZM2 soll der Förderung von Kooperationen zwischen Forschung und Industrie sowie dem Austausch untereinander dienen. Wie soll unter dem Aspekt das Gebäude genutzt werden?

Stefan Sauer: Das Gebäude ZM2 bietet uns nun endlich die Möglichkeit, die Idee des Forschungscampus, die dem SICP von Anfang an innewohnte, im großen Stil in die Tat umzusetzen. Mit ca. 200 Arbeitsplätzen, die die Universität für den SICP in der ZM2 zur Verfügung stellt, können wir den beteiligten Unternehmen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ausreichend Plätze anbieten, damit alle SICP-Mitglieder von dieser räumlichen Konzentration, dem Arbeiten unter einem Dach und in unmittelbarer Nähe zueinander profitieren können. Unser Ziel ist es, dass die Plätze zu etwa gleichen Teilen von den Unternehmen sowie den Hochschulmitgliedern, einschließlich Studierenden, die in die Aktivitäten und Projekte des SICP eingebunden sind, belegt werden.

Konkret bedeutet dies, dass wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Unternehmen und Hochschule räumlich durchmischen, wir sprechen von „Mixed Zones“. Das heißt, anstatt die Raumaufteilung der Büroflächen nach organisatorischer Zugehörigkeit vorzunehmen, verteilen wir die Personen nach thematischen und fachlichen Gesichtspunkten im Gebäudekomplex. Damit forcieren wir den Wissensaustausch, die Kommunikation und schließlich die Zusammenarbeit in Projekten. Und dies nicht nur bilateral zwischen einem Unternehmen und der Wissenschaft, sondern multilateral, also auch der beteiligten Unternehmen untereinander und mit vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen. Wir haben sowohl das Raumkonzept als auch die Planung der Gebäudenutzung an dieser Maxime ausgerichtet. Beispielsweise gibt es in jedem Gang Mittelzonen, die für das kollaborative Arbeiten und die Kommunikation ausgelegt sind. Darüber hinaus gibt es Freiflächen, neudeutsch „Open Space“, und Projektbüros, in denen organisationsübergreifend an ge- meinsamen Aufgaben gearbeitet werden kann.

Die Stärke Paderborns liegt im Bereich Software. Was bedeutet in dem Zusammenhang die ZM2 für den Wirtschaftsstandort OWL?

Gregor Engels: Paderborn wird immer wieder als IT-Standort bezeichnet, weil es in Paderborn und der Region OWL zahlreiche Unternehmen gibt, die IT-Systeme entwickeln oder IT-Systeme intensiv nutzen. Sowohl IT-Entwickler als auch IT-Nutzer haben mit den Herausforderungen von kurzen Innovationszyklen zu kämpfen. Sie machen es erforderlich, dass neben dem Tages- und Projektgeschäft neue IT-Innovationen wahrgenommen werden und ihre Bedeutung für das eigene Unternehmen bewertet wird. Das kostet Zeit, Geld und insbesondere Personalaufwand, was in der heutigen Zeit aufgrund des Fachkräftemangels in der IT kritisch ist. Da hilft es, wenn man mit Gleichgesinnten auf der einen Seite und mit (wissenschaftlichen) Experten auf der anderen Seite schnell und unkompliziert ins Gespräch kommen kann, um neue, innovative IT-Technologien zu verstehen und zu erproben.

Das Ende dieses Jahres bezugsfertige Gebäude Zukunftsmeile 2 wird ein Ort sein, an dem IT-Entwickler und IT-Anwender mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Informatik, der Wirtschaftswissenschaften und der Ingenieurswissenschaften in neuartigen kooperativen Arbeitsformen zusammen kommen können, um Eigenschaften sowie Vor- und Nachteile neuer innovativer IT-Technologien gemeinsam kennenzulernen, ihre Bedeutung für das eigene Unternehmen zu bewerten und auf dieser Basis Innovationen in ihren Unternehmen einzuführen.

Die ZM2 wird in dieser Form ein neuartiges Konzept der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft realisieren. Sie grenzt sich ab von den Initiativen der Start-up-Szene, bei denen es darum geht, neue Unternehmen zu gründen. In der ZM2 haben existierende, etablierte Unternehmen die Möglichkeit, mit der Wissenschaft in Kontakt zu kommen, um Innovationen für ihre Unternehmen zu konzipieren und zu realisieren.

Stichwort „New Work“: Welche zukunftsweisenden Arbeitsmodelle lassen sich in der ZM2 realisieren?

Sauer: Das Raumkonzept der Zukunftsmeile 2 für den SICP sieht einen Mix verschiedener Arbeitsplatzangebote vor. Für das konzentrierte Arbeiten steht als Standardformat das Zweierbüro zur Verfügung. Gut hundert Arbeitsplätze gibt es in dieser Form. Darüber hinaus gibt es einige Dreierbüros und knapp ein Dutzend Viererbüros, die als Kleingruppen- und Projektbüros gedacht sind, in denen man intensiv und abgeschirmt zusammenarbeiten kann. Sie erlauben sowohl Einzel- als auch Teamarbeit. Außerdem gibt es am Ende jedes Flures eine Freifläche mit jeweils sechs bis sieben Schreibtischen, also insgesamt über 30 Arbeitsplätze in diesem Open Space, in dem man sehr dynamisch und flexibel arbeiten kann. In allen Mittelzonen gibt es Besprechungsräume in verschiedenen Größen, Fokusräume als Rückzugsort für eine oder wenige Personen sowie offene Küchen, Sitzecken und Stehtresen als Kommunikationszonen. Außerdem haben wir spezielle Funktionsbereiche eingerichtet mit größeren Besprechungs-, Pool- und Schulungsräumen sowie geschlossene und halboffene Multifunktionsflächen. Großzügige Arbeitsbereiche für Studierende mit Experimentierfläche, Hard- und Softwarelabor befinden sich im dritten Obergeschoss genau wie die Büros für das SICP-Management. Im Erdgeschoss gibt es einen Showroom direkt im Eingangsbereich sowie eine Konferenzzone mit Design-Thinking-Labor und Tagungsräumen. Und dann gibt es noch dedizierte Begegnungszonen einschließlich Besprechungsräumen, die wir gemeinsam mit der Firma Weidmüller nutzen, um auch hier den Austausch anzufachen.

Mindestens genauso wichtig ist aber die Möglichkeit, dass man im SICP überwiegend oder auch nur temporär arbeiten kann. Wir sprechen hier bildlich auch vom „Erst- und Zweitwohnsitz“. Sowohl die Hochschul- als auch die Unternehmensangehörigen im SICP können entweder ihren Hauptarbeitsplatz, an dem sie ausschließlich oder überwiegend arbeiten, oder einen weiteren Arbeitsplatz, den sie nur zeitanteilig oder über einen begrenzten Zeitraum nutzen und gegebenenfalls mit anderen teilen, in der ZM2 haben. Gerade in Unternehmen, aber auch bei Fachgruppen der Universität, die ihren Stammsitz am Uni-Campus haben, ist es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter häufig sinnvoll, sich regelmäßig an beiden Standorten aufhalten, mit Kolleginnen und Kollegen austauschen, an Meetings und Projektarbeit teilnehmen zu können. Das wollen wir so flexibel wie erforderlich gestalten.

Neben dem Raumkonzept planen wir noch unterschiedliche Kollaborations- und Kommunikationsformate, zum Beispiel Thementage, an denen alle Interessierten in der ZM2 zusammen anwesend sind, regelmäßige themenbezogene Treffen oder niedrigschwellige Vortrags- und Diskussionsformate. Da wollen wir vieles ausprobieren und – wenn es funktioniert – etablieren. Gerade aufgrund der aktuellen, teilweise disruptiven Veränderungen der Arbeitsformen durch die COVID-19-Pandemie ist vielen bewusst geworden, dass wir auch die Art und Weise, wie wir arbeiten, immer wieder neu denken müssen. Home-Office und Tele- präsenz sind keine Dauerlösung, aber situativ sicher eine sinnvolle Ergänzung. Die direkte Interaktion von Angesicht zu Angesicht können sie aber nicht vollständig ersetzen. Um die Kooperation für Forschung und Innovation noch effektiver zu gestalten, wollen wir mit der ZM2 auch eine Art Real-Labor für moderne, fachgebiets- und organisationsübergreifende Arbeitsformen bieten.

Welche Bedeutung haben die Möglichkeiten, die die ZM2 bietet, für den SICP – Software Innovation Campus Paderborn?

Engels: Der SICP – Software Innovation Campus Paderborn hat das Ziel, Wissenschaft und Wirtschaft in kooperativen Projekten zusammenzubringen, um softwaregetriebene Innovationen für die Unternehmen zu konzipieren und prototypisch umzusetzen. In der Vergangenheit fehlte ein Ort, an dem Vertreter der Unternehmen fernab von ihrem Alltagsgeschäft und Routine-Verpflichtungen für einen definierten Zeitraum gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Paderborn eng zusammenarbeiten konnten. Diese Möglichkeit wird nun durch die ZM2 geschaffen – ein neuartiger Raum für die enge Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft.

Die Erfahrungen der letzten Jahre im SICP zeigen, dass ein solches Gebäude wie die ZM2 in Paderborn gefehlt hat. Dadurch blieb so manche Chance der Kooperation ungenutzt. Die Arbeiten in der ZM2 werden dafür sorgen, dass IT-Innovationen in den beteiligten Unternehmen schneller umgesetzt werden. Darüber hinaus wird der IT-Standort Paderborn auch an regionaler und überregionaler Bedeutung gewinnen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann weitere Gebäude dieser Art in Paderborn benötigt und realisiert werden.

Über die Zukunftsmeile 2

Die Zukunftsmeile 2 (ZM2) wird auf vier Etagen mit einer Gesamtfläche von knapp 20.000 Quadratmetern Raum für etwa 600 Arbeitsplätze bieten. Es entstehen gemeinsame Projekträume, Co-Working-Bereiche sowie eine großzü- gige Forschungs- und Demonstrationsfläche. Die ZM2 ist ein weiterer Schritt, um den Paderborner Campus an der Fürstenallee zu einem bedeutenden Standort für Innovation und Forschung in der Region zu entwickeln. Der Campus-Idee folgend werden dort Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der am SICP beteiligten Partnerunternehmen arbeiten. Sie werden Büros, Labore, offene Arbeitsbereiche und flexibel gestaltete Multifunktionsflächen miteinander teilen, um praxisorientierte Forschungsergebnisse und Innovationen hervorzubringen. Geplant sind neben den Labors und Büro-Arbeitsbereichen unter anderem ein gemeinsames Foyer mit repräsentativem Empfang, ein großzügig ausgestatteter Konferenzbereich und eine moderne Mitarbeiterkantine mit Sitzplätzen für bis zu 200 Personen.

www.sicp.de 

Text: Kerstin Sellerberg

Foto (Adelheid Rutenburges): Prof. Dr. Gregor Engels.
Foto (Adelheid Rutenburges): Dr. Stefan Sauer.

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Prof. Dr. Stefan Sauer

Software Innovation Campus Paderborn (SICP)

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