Wissenschaftlerin der Universität Paderborn warnt vor Corona bedingtem Bewegungsmangel
Der Schulalltag von Kindern und Jugendlichen aller Altersgruppen ist derzeit auf den Kopf gestellt. Während es dank digitaler Angebote in vielen Schulfächern Möglichkeiten des außerschulischen Unterrichts gibt, fällt dieser in den Fächern Sport und Schwimmen schwer. Wissenschaftler*innen mahnen bereits seit Jahren einen Bewegungsmangel bei Schüler*innen an. „Dieser verstärkt sich aktuell durch den Wegfall von Bewegung, Spiel und Sport in der Schule, durch das Fehlen der Bewegung auf dem Schulweg und durch die Einschränkungen in der Freizeit“, sagt Prof. Dr. Miriam Kehne, Leiterin des Arbeitsbereiches Kindheits- und Jugendforschung im Sport an der Universität Paderborn.
Mit Sorge beobachtet sie die aktuelle Situation: „Bewegung ist für die Entwicklung von Kindern immens wichtig. Sie dient in stressigen Phasen außerdem dem Ausgleich.“ Derzeit kommen Kehne zufolge ganz viele ungünstige Faktoren zusammen: Der Schulsport fällt aus, die Spiel- und Bolzplätze sind geschlossen, Kinder und Jugendliche dürfen sich nicht mit Freunden zum Spielen und Sport verabreden und jegliche Vereinssportangebote wurden eingestellt. Außerdem fehlen die sonst vor allem im Frühjahr und Sommer vorhandenen Bewegungsanlässe. Dazu gehören zum Beispiel Spielfeste und andere öffentliche Angebote.
„Wir sprechen von der erzwungenen Corona-Faulheit“, sagt Miriam Kehne. Hier ständen die Erziehungsberechtigten vor der Herausforderung, individuelle Bewegungsangebote und -anlässe für ihren Nachwuchs zu schaffen. Die Professorin ist selbst Mutter zweier Kinder, die sie gemeinsam mit ihrem Mann zum Bewegen motiviert. „Ein täglicher Spaziergang oder Fahrradtouren in der Natur sind sehr empfehlenswert und ohne großen Aufwand realisierbar. Dabei ist es auch gut möglich, Abstand zu den Mitmenschen zu halten, wie es derzeit vorgeschrieben ist“, so die Wissenschaftlerin.
Je länger der schulische Stillstand dauere, desto kritischer werde die Situation, sagt Kehne: „Kinder und Jugendliche gewöhnen sich schnell an einen inaktiven Alltag und können die Lust an Bewegung und Sport verlieren.“ Allerdings gebe es in der Forschung noch keine Arbeiten, die eine derart umfassende Zwangspause im Kontext der kindlichen Bewegung thematisieren.
Laut Kehne haben vor allem jüngere Kinder einen hohen Bewegungsdrang – diesen zu unterdrücken, sei kritisch. Mit ein wenig Kreativität könne man daher auch im unmittelbaren häuslichen Umfeld Mini-Bewegungsangebote schaffen: Ballspielen, Hüpfkästchen oder Gummitwist funktionierten schließlich auch mit den Geschwistern oder Eltern. In den vergangenen Wochen sind außerdem zahlreiche mediale Bewegungsangebote entstanden, die alle Altersgruppen ansprechen. Die Wissenschaftlerin betont, dass auch der gezielte Einsatz digitaler Medien der Bewegungsförderung dienen kann.
Text: Heiko Appelbaum