Joy Xu, Personalvorstand der Sandoz International GmbH, war im November zu Gast an der Universität Paderborn und diskutierte mit Studierenden über ihre Zukunftsvision einer modernen Arbeitswelt.
Das Pharmaunternehmen Sandoz setzt dabei auf eine agile Arbeitsweise, um den voranschreitenden Kulturwandel im Unternehmen zu verwirklichen. Im Mittelpunkt stehen dabei Eigenverantwortung und selbstbestimmtes Arbeiten im Team. Den Kulturwandel selbst setzt Sandoz unter dem Credo „Inspired, Curious, Unbossed“ um. Die Voraussetzung für agiles Arbeiten ist dabei der dritte Punkt „Unbossed“, was so viel heißt wie kooperativer Führungsstil, der Mitarbeiter befähigt und unterstützt und gleichzeitig klare Verantwortlichkeiten schafft.
Über diesen aktuellen Kulturwandel bei Sandoz sprach Joy Xu am 17. November an der Universität auf Einladung der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Die Wirtschaftswissenschaften interessiert, was agiles Arbeiten und Führen für die Fähigkeiten bedeutet, die von Studierenden künftig erwartet werden. Dr. Florian Turk moderierte die Plenardiskussion, zu der gut 100 Studierende, Lehrende und Arbeitende kamen. Turk ist Manager bei Sandoz im Bereich Biopharmazeutika und gleichzeitig Honorarprofessor der Universität Paderborn.
Joy Xu nannte zu Beginn ihres Impulsvortrags Beispiele von Unternehmen, die nicht in der Lage gewesen seien, in die Zukunft zu denken. Zukunftsfähig würden Unternehmen, die großer Unsicherheit ausgesetzt sind, nur durch eine starke Kultur, in der zentrale Werte von allen Beschäftigten getragen werden und in der die Beschäftigten ihre Meinung und Expertise einbringen könnten. Sandoz habe bereits eine starke Kultur, doch die Agilität, die notwendig sei, um nachhaltig zukunftsfähig zu sein, könne sich durch die Kultur-Initiative stärker entfalten. Das erfordere eine Einstellung des persönlichen Wachstums von allen Beschäftigten. Dies erläuterte Joy Xu mit ihrer eigenen Lebensgeschichte. Nach der mittleren Reife sei ihr empfohlen worden, Kindergärtnerin zu werden. Dies sei ein ehrenwerter Beruf, doch sie habe entschieden, sich mit Schule und Universität immer weiter zu entwickeln. Die Einstellung zu persönlichem Wachstum müssten auch die Beschäftigten aufbringen, denn sie sollen nun bereit sein, in Teams weitgehend selbstorganisiert zu lernen. Auch die Führungskräfte müssen ganz neu denken: Sie verlieren ihre klassische Funktion als Chefs und werden zu Coaches und Mentoren ihrer Mitarbeiter: Sie ordnen nicht an, sondern schaffen Vertrauen, stellen einen verlässlichen Rahmen für die Teamarbeit bereit und geben immer wieder Rückmeldung. Dadurch werden Mitarbeiter stückweise selbstständiger und würden sich ihrer eigenen Fähigkeiten und Verhaltensweisen bewusst („Selfawareness“).
Im Anschluss an Joy Xus Vortrag entwickelte sich eine lebhafte Diskussion. Irina Haupt und Enja Herdejürgen, Masterstudierende der Wirtschaftswissenschaften, warfen einen Blick auf die Ausbildung: Selbstorganisation und -verantwortung würden auch in vielen Veranstaltungen an der Universität vermittelt, doch dies solle in Zukunft noch stärker erfolgen. Martin Schneider, Professor für Personalwirtschaft, der die Plenardiskussion vermittelt hatte, erinnerte daran, dass Unbossing widersprüchlich sei, alleine schon, weil das vermeintliche Abschaffen einer klassischen Chefrolle oben angeordnet werde. Die Lehrenden an der Universität sollten diese Widersprüche aufgreifen und die Studierenden zu kritischem Denken anhalten und auch auf empirische Ergebnisse eingehen. Die Plenardiskussion regte zum Nachdenken an und zeigte, dass agiles Arbeiten bei Sandoz und anderswo noch im Fluss ist: Es konnte nicht abschließend geklärt werden, ob nicht auch individuelle Leistungsbeurteilungen, Bonuszahlungen und traditionelle Organisation verschwinden müssten, um ein wirklich hierarchiefreies Arbeiten zu ermöglichen.
Text: Martin Schneider