Eine ganz besondere Ehre wurde jetzt fünf Doktoranden der International Graduate School „Dynamic Intelligent Systems“ der Universität Paderborn zuteil. Denn der Dalai Lama, das geistliche und weltliche Oberhaupt von sechs Millionen Tibetern, hatte die bereits vor vier Jahren ausgesprochene Einladung der sieben nordrhein-westfälischen Graduate Schools nach Münster angenommen und diskutierte dort mit insgesamt 35 nordrhein-westfälischen Doktoranden über ihre Verantwortung in Wissenschaft und Gesellschaft.
In ihrer Hand liege das 21. Jahrhundert und von ihnen erwarte er neue Anregungen und Vorschläge, betonte der Friedensnobelpreisträger von 1989 in seiner Begrüßung der aus 14 Nationen stammenden Diskussionsteilnehmer im Senatssitzungssaal des münsterschen Schlosses. Unter ihnen auch Sebastian Degener, Joel Greenyer, Cheng Yee Low, Thomas Sillekens und Ingmar Steinzen von der Universität Paderborn. Da fast die Hälfte der Gesprächsteilnehmer im Bereich der Lebenswissenschaften promoviert – die Graduate Schools in Bielefeld, Bochum und Köln haben die Schwerpunkte Bioinformatik, Neurowissenschaften und Genetik – drehte sich ein erheblicher Teil der Fragen um die in diesen Fächern durchgeführten Tierversuche.
Gemäß der buddhistischen Tradition betonte der Dalai Lama in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass alle Lebewesen, vom Präsidenten bis zum kleinsten Insekt, das gleiche Recht auf Leben hätten. Ganz pragmatisch legte er aber auch dar, dass aus seiner Sicht solche Versuche dann erlaubt seien, wenn es zumindest sehr wahrscheinlich sei, dass durch sie großes Leid bei vielen Menschen verhindert werden könne und es zudem keine andere Möglichkeit gebe, das entsprechende Wissen zu erwerben.
Übertragen wurde die Gesprächsrunde, die in lockerer Atmosphäre stattfand, in die Aula des Schlosses zu Münster, in der rund 300 Doktoranden der NRW Graduate Schools das Gespräch auf einer Großleinwand verfolgten. Nicht wenig überrascht waren diese, als „seine Heiligkeit, der 14. Dalai Lama von Tibet“, so der offizielle Titel, ganz gegen das vereinbarte Protokoll nach dem Gespräch die Aula betrat, und auch mit diesen Zuhörern, unter ihnen 40 Angehörige der Universität Paderborn, die Diskussion fortsetzte.
Öffentlich sichtbar war die Universität Paderborn anschließend auch in der Halle Münsterland, als der Dalai Lama vor 4.500 Zuhörern ebenfalls über die Verantwortung des Einzelnen in Wissenschaft und Gesellschaft sprach. Denn die Moderation dieser Veranstaltung lag beim Sprecher der Paderborner Graduate School, Prorektor Prof. Dr. Wilhelm Schäfer, der zu Beginn der Veranstaltung dem versammelten Publikum zunächst die Grundzüge der NRW Graduate Schools vorstellte. Diese dreijährigen englischsprachigen Promotionsstudiengänge richten sich an hoch qualifizierte Studierende aus aller Welt. Unter hervorragenden Studienbedingungen bereiten sie sich an sieben Standorten auf Führungspositionen in Industrie und Wissenschaft vor und beschäftigen sich dafür auch mit den ethischen Grundlagen ihres Handelns. Dies war nicht zuletzt der Grund, warum der Dalai Lama der Einladung zur morgendlichen Gesprächsrunde gefolgt war.
Neben allgemeinen ethischen Fragestellungen beschäftigte sich der seit 1959 im indischen Exil lebende Dalai Lama am Ende seines Vortrages aufgrund entsprechender Rückfragen aus dem Publikum auch mit der politischen Situation in seiner Heimat Tibet, die 1950 von China militärisch besetzt und annektiert wurde. Er berichtete von zerstörten Klöstern, der Verfolgung all derer, die allein das Wort „Dalai Lama“ benutzen sowie der immer weiter voran schreitenden Überfremdung, die die Tibeter in vielen Städten bereits zur ethnischen Minderheit gemacht habe.
So war es auch ein Moment voller solidarisierender Symbolik, als der Dalai Lama am Ende der Veranstaltung seinen Gastgebern, neben Prof. Schäfer auch NRW Innovationsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart, einen traditionellen tibetischen Katak überreichte, und diese sich mit diesen weißen Schals zum Abschiedsfoto um den Dalai Lama gruppierten.