„In unserer Gesellschaft müssen wir mehr darüber diskutieren, was die Digitalisierung mit uns macht“, sagte der Gewerkschafter Oliver Dietrich am Dienstagabend, 11. Juli, bei der Paderborner Ringvorlesung Wirtschaftsethik im Audimax der Theologischen Fakultät Paderborn. Denn für den Bielefelder IG-Metall-Sekretär des Netzwerks „Intelligente Technische Systeme Ostwestfalen-Lippe“ („it's OWL“) steht fest: Die Digitalisierung wird unsere Lebenswelt umfassend verändern.
Dietrich, der täglich mit den Auswirkungen der Digitalisierung zu tun hat, berichtete in seinem Vortrag, dass bei den Verantwortlichen in produzierenden Betrieben vor Ort, gerade auch in den Betriebsräten, ein hohes Maß an Unsicherheit angesichts der Digitalisierung zu spüren sei. Darum appellierte er immer wieder, dass sich insbesondere Betriebsräte proaktiv mit der Digitalisierung auseinandersetzen müssten. Nur wenn man genau hinschaue, ergebe sich für Betriebsräte und Beschäftigte in Unternehmen die Möglichkeit mitzugestalten.
Mitgestaltung ist für den Bielefelder Gewerkschafter dringend nötig, denn die Digitalisierung müsse aufgrund verschieden möglicher Szenarien bewusst gestaltet werden, erklärte Dietrich. Die Entscheidungsalternativen seien klar: „Welche Digitalisierung wollen wir? Eine Digitalisierung, in der Menschen intelligente Systeme zur Unterstützung nutzen können, oder eine Digitalisierung, die es intelligenten Systemen möglich macht, Menschen zu steuern und zu überwachen? Wollen wir eine Digitalisierung, die es Menschen erlaubt, Arbeit stärker entsprechend der eigenen Lebenssituation zu gestalten, oder eine Digitalisierung, die Beschäftigten Erreichbarkeit rund um die Uhr abverlangt?“, fragte der Referent seine Zuhörer.
Die aktuellen Veränderungen in der Arbeitswelt forderten aber keineswegs nur die Unternehmen heraus. Die Forderungen Dietrichs in Richtung Politik: Ein möglicher Arbeitsplatzverlust in Folge der Digitalisierung müsse durch verlässliche Übergänge in neue Berufsperspektiven ausgeglichen werden. Zudem seien Weiterbildungsangebote in und außerhalb von Betrieben unerlässlich. Für ihn gehe es darum, bei allen durch die Digitalisierung aufgeworfenen Fragen stets die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Denn auf Akzeptanz würden die Digitalisierung und die mit ihr verbundenen Chancen nur stoßen, wenn die Beschäftigen mitgenommen und umfassend beteiligt würden.
Der Vortrag von Oliver Dietrich bildete den Abschluss der Paderborner Ringvorlesung Wirtschaftsethik innerhalb des vergangenen Studienjahres, in dem sie zum sechsten Mal durchgeführt wurde. In diesem und im letzten Semester hatte sich die Ringvorlesung unter dem Thema „Arbeiten 4.0 – schöne neue Arbeitswelt?“ mit Fragen der digitalen Transformation der Gesellschaft beschäftigt und ihre Chancen und Risiken für den Menschen und seine Umwelt beleuchtet.
Die Paderborner Ringvorlesung Wirtschaftsethik begleitet die Kooperation der Theologischen Fakultät Paderborn und der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Paderborn im Bereich Wirtschaftsethik und hat zum Ziel, sowohl Raum für wissenschaftliche Reflexionen zu wirtschaftsethischen Themen zu geben als auch Stimmen aus dem regionalen Umfeld zu Wort kommen zu lassen. Verantwortlich sind Professor Dr. Günter Wilhelms, Lehrstuhlinhaber für Christliche Gesellschaftslehre an der Theologischen Fakultät Paderborn, und Professor Dr. René Fahr, Lehrstuhlinhaber für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Corporate Governance an der Universität Paderborn.