Gastvor­trag von Prof. Dr. Rolf F. Nohr, HBK Braun­sch­weig, am 13. Dezem­ber: Dis­pos­it­iv Gami­fic­a­tion? Von Com­puter­spielen, Mit­arbeit­ern des Mon­ats, Ka­rot­ten und Lern­maschinen.

Der Vortrag findet am 13. Dezember, 18 Uhr, Institut für Medienwissenschaften, Raum E2.339, statt. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Thematisches Abstract: »Für mich ist Gamification ein Vehikel, das sich mit Verhaltensforschung, Motivationstheorien und Behavioral Economics auseinandersetzt und das als Kernkompetenz eines Managements versteht.« Mario Herger (CEO Enterprise Gamification)

Mit einem solchen hochoperationalen Verständnis von Gamification wird deutlich, dass wir es bei der "Verspielung der Gesellschaft" weitaus weniger mit Elementen der "Befreiung des Subjekts im Spiel", sondern vielmehr mit neoliberalen Steuerungstechniken zu tun haben. In ihrem Kern kann die Praxis der Gamification zunächst in ihren eher funktionalistischen und operationalen Anwendungen als eine ›Technik‹ begriffen werden, die in den vermeintlich konsequenzenfreien, ›magischen‹ und lustbetonten Handlungsraum des Spiels die ›ernsten‹ Komponenten des regierten und gesteuerten Lebens einspielt. Vereinfacht gesprochen ist Gamification ›der Einsatz von Game Design-Elementen in nicht-spielerischen Kontexten‹ – um eine der sicherlich am häufigsten aufgerufenen Zitate in diesem Zusammenhang zu paraphrasieren.

Spezifischer kann Gamification aber auch als ein Prozess begriffen werden, in dem über den Einsatz marginaler formaler wie inhaltlicher Parameter Subjekte spielend zur Selbstregierung angeregt werden. Anders als die Gratifikationssysteme des frühen Kapitalismus (der ›Mitarbeiter des Monats‹, Akkordzulage oder die Belohnungssysteme der frühen Arbeitswissenschaft) ist die Gamification vielleicht eine der zentralen Konstellationen der (deleuzianischen) ›Kontrollgesellschaft‹: Gratifikationssysteme schöpfen explizit aus dem Repertoire des symbolischen Kapitals (Achievement, Highscore, eye candy). Gamification steht hier für eine Rationalität permanenter Ausrichtung allen Handelns auf Gratifikationen und die Korrespondenz von Belohnung und Erfüllung von Regeln und Siegbedingungen.

Von einem Dispositiv der Gamification zu sprechen mag hier vielleicht latent zu weit greifen – andererseits scheint es angezeigt, dem "Handlungs- und Motivationsapparat" der Exploitationware und Pointsification mit (theoretisch) grobem Gerät entgegenzuwirken, um den Kern der Gamification, das Spiel, vor solcherlei Funktionalisierungen zu "erretten".
 

Serjoscha Wiemer
Institut für Medienwissenschaften
Universität Paderborn